Im Februar 2024 stehen Marlen Haushofers „gesammelte Romane und Erzählungen” (Claassen) auf Platz 1 der ORF-Bestenliste. Auf Platz 2 steht László Krasznahorkai mit „Im Wahn der Anderen“ (S. Fischer). Christine Lavants „Ich bin maßlos in allem“ (Wallstein) erhält Platz 3.
Platz 1: Marlen Haushofer „Gesammelte Romane und Erzählungen“, Claassen
Endlich haben der Claassen-Verlag und das Adalbert-Stifter-Institut eine gewaltige Leerstelle innerhalb der österreichischen Germanistik geschlossen: Mehr als 50 Jahre nach Marlen Haushofers Tod liegt nun die erste Werkausgabe der Schriftstellerin vor. Die 1920 in Oberösterreich geborene Haushofer zählt zu den eigensinnigsten Stimmen der österreichischen Nachkriegsliteratur. Zu Lebzeiten unterschätzt, als Hausfrauenprosa missverstanden, gerieten ihre Bücher erst in den 80er Jahren, ein Jahrzehnt nach ihrem Tod, wieder in den Fokus. Mittlerweile gilt Haushofer als Chronistin weiblicher Lebenswelten, die Verfilmung ihres wohl bekanntesten Roman „Die Wand“ verhalf Marlen Haushofer 2012 zu großer Popularität. Schonungslos und präzise schreibt sie in ihren Romanen und Erzählungen gegen die Fassade der kleinbürgerlichen Lebenswelt an, die sie als Zahnarztgattin in Steyr selbst nur zu gut kannte. Ihre Protagonistinnen, fast ausschließlich Frauen, eint das Gefühl des Fremdseins. Haushofer selbst sah sich als stille Beobachterin: „Ein Romanautor sollte nichts anderes sein als ein Zuschauer, der den Menschen und Vorgängen in seinem Buch Zeit lässt, sich behutsam zu entwickeln“, heißt es in „Die Tapetentür“.
Platz 2: László Krasznahorkai „Im Wahn der Anderen“, S. Fischer
Übersetzung: Heike Flemming
Der ungarische Schriftsteller László Krasznahorkai zählt seit Jahren zu den ganz großen Namen der europäischen Literatur. Der in Triest lebende Autor wurde bereits vielfach ausgezeichnet, zuletzt etwa mit dem österreichischen Staatspreis für Europäische Literatur. Und auch auf den Wettlisten für den Literaturnobelpreis findet sich sein Name jedes Jahr ganz oben. „Meister der Apokalypse“ wird der 69-Jährige gerne genannt, da er sich in seinem Schreiben oft mit Untergangsszenarien und Verfallsprozessen auseinandersetzt. Diesem Ruf wird Krasznahorkai auch in seinem neuen Buch „Im Wahn der Anderen“ gerecht. Es ist ein literarisches Triptychon der Paranoia und des Wahns, das mit Zeichnungen des Künstlers Max Neumann versehen ist. Das Herzstück der drei Erzählungen bildet Kleinstarbeit für einen Palast: Alles dreht sich darin um einen New Yorker Bibliothekar, der seine Arbeit zunehmend als stupide Endlosschleife wahrnimmt und von Senkfüßen geplagt wird. Er begibt sich auf die Spuren von Herman Melville und verirrt sich dabei immer stärker auf den Wegen des großen Schriftstellers – bis er sich selbst gänzlich verliert.
Platz 3: Christine Lavant „Ich bin maßlos in allem“, Wallstein
Ein halbes Jahrhundert ist seit dem Tod der Schriftstellerin Christine Lavant inzwischen vergangen. Die gebürtige Kärntnerin stammte aus ärmlichsten Verhältnissen und hatte von Geburt an mit Krankheiten zu kämpfen. Auch wer keine Zeile von ihr gelesen hat, verbindet mit dieser Frau, die zu den charakterstärksten und eigenständigsten Autorinnen des 20. Jahrhunderts zählt, Kopftuch, Zigaretten und Stricken. Nach der Werkausgabe ist mit „Ich bin maßlos in allem“ ein weiteres wichtiges Puzzleteil innerhalb der Lavant-Forschung gelegt: behutsam hat Lavant-Experte Klaus Amann die wenigen erhaltenen biographischen Dokumente in Buchform arrangiert. Der Band besteht überwiegend aus Lavants eigenen Zeugnissen – darunter auch viele berührende Briefe, die darin erstmals veröffentlicht werden. Christine Lavant, die zurückhaltende, stets kränkelnde, in Gesellschaft dennoch schlagfertige und freche Dichterin hat nahezu alle an sie gerichteten Briefe vernichtet. Erhalten sind viele ihrer eigenen Briefe an Weggefährten und Freunde, durch die erstmals ein sehr persönlicher und intimer Blick auf Lavant möglich wird.
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