ORF Bestenliste August

Im August erobert Sabine Gruber mit ihrem Roman „Die Dauer der Liebe“ (C.H. Beck) Platz 1. J. M. Coetzee klettert mit „Der Pole“ (S. Fischer) auf Patz 2. Platz 3 geht an Franz Schuh mit „Ein Mann ohne Beschwerden“ (Zsolnay).

Platz 1: Sabine Gruber, „Die Dauer der Liebe“, C.H. Beck

Wie schreiben über einen Schmerz, der einen in den Wahnsinn treibt? Wie eine Form finden für den Verlust eines geliebten Menschen, den es plötzlich aus dem Leben reißt? Die Schriftstellerin Sabine Gruber hat sich lange Zeit gelassen, um eine Erfahrung zu Literatur zu machen, durch die sie selbst gehen musste. Nah am eigenen Leben, zugleich mit großer, Präzision ermöglichender Distanz erzählt sie in ihrem neuen Roman „Die Dauer der Liebe“ davon, was es heißt, sich von einem Menschen, mit dem man sein Leben viele Jahre teilte, völlig unvorbereitet verabschieden zu müssen. Es wäre aber nicht Sabine Gruber, wenn es darin nicht zugleich zutiefst politisch zuginge. Dass der Faschismus nicht erst außerhalb der eigenen vier Wände beginnt, sondern es nicht zuletzt familiäre Kontexte, Beziehungen sind, die im Innersten davon geprägt sind, macht dieser Roman geradezu leichthändig anschaulich.

Platz 2: J. M. Coetzee, „Der Pole“, S. Fischer

Übersetzung: Reinhild Böhnke

Der 1940 in Kapstadt geborene J. M. Coetzee kann auf eine beachtliche Karriere zurückblicken. Als erster Schriftsteller wurde er gleich zwei Mal mit dem Booker Price ausgezeichnet, 2003 wurde ihm der Literaturnobelpreis verliehen. Zuletzt machte Coetzee 2019 mit seiner „Jesus-Trilogie“ auf sich aufmerksam, in „Der Pole“ erzählt er die Geschichte eines gealterten Pianisten, der sich in eine wesentlich jüngere Frau verliebt. Die beiden lernen sich nach einem Konzert in Barcelona kennen. Er, wie der Titel schon verrät, Pole und Anfang 70. Sie, Katalin, knapp 50 und Mutter zweier erwachsener Kinder. Die Frau, wie sie im Buch lange Zeit nur genannt wird, ist zunächst alles andere als angezogen von ihrem Gegenüber. Sie findet ihn zu groß, seine Art zu sprechen irritiert sie, auch wenn sie einräumt, dass dies seinen schlechten Englischkenntnissen geschuldet sein mag. Doch als er beginnt ihr romantische Avancen zu machen und sie immer hartnäckiger zu beeindrucken versucht, ist ihr Interesse plötzlich geweckt. Doch warum eigentlich? Beim Lesen begleitet man die Frau, deren Name sich als Beatriz herausstellt, beim Nachdenken über diese Frage, während sie sich gleichzeitig immer intensiver auf „den Polen“ einlässt. Und so beginnt ein rätselhaftes Spiel zwischen zwei nicht weniger rätselhaften Figuren, mit dem Coetzee einmal mehr seine große literarische Raffinesse unter Beweis stellt.

Platz 3: Franz Schuh, „Ein Mann ohne Beschwerden“, Zsolnay

Als „titanisch gebildeter Denker“ gilt er vielen Zeitgenossen: Franz Schuh. Der inzwischen 76-Jährige zählt ohne Zweifel zu den originärsten deutschsprachigen Autoren der Gegenwart. Mit seinen politischen, philosophischen und literarischen Ausführungen und Einmischungen prägt er seit Jahrzehnten wesentlich den öffentlichen Diskurs. Sein neues Buch „Ein Mann ohne Beschwerden“ widersetzt sich wieder jeder engen Genrezuweisung: es ist eine Sammlung von Essays, in die sich unter anderem Lyrisches mischt. Es ist ein typischer Franz Schuh, ließe sich sagen: darin wird über die großen politischen Fragen der Gegenwart genauso erkenntnisreich nachgedacht wie über Randständigeres – die Salzburger Festspiele zum Beispiel. In „Ein Mann ohne Beschwerden“ wird nichts gegeneinander ausgespielt, vielmehr Unterschiedlichstes dialektisch zusammengeführt. So ist das Nachdenken über die politische Situation der Gegenwart eines der Herzstücke des Buches. Franz Schuh schreibt: „Den Rechtsruck halte ich in meiner Gegenwartseinschätzung für bereits vollzogen und im Begriff, sich bis ins Autoritäre zu verfestigen.“

Die gesamte ORF-Bestenliste finden Sie hier.

Werbung
WdB Posting 2