Im Mittelpunkt von Georges Simenons neu übersetzten Roman „Die grünen Fensterläden“ aus dem Jahr 1950, erschienen im Kampa Verlag, steht der 60-jährige Schauspieler Emile Maugin, der große Maugin, ein Star des Theaters und des Kinos. Vom kleinen Varietesänger hat er sich hochgespielt in die Oberliga des Showgeschäfts, man kennt und erkennt ihn im ganzen Land. Doch der bewunderte Menschendarsteller findet zu den Menschen keine Beziehung, er versteht sie nicht, ihre Nähe ist ihm unangenehm.
Seine Ehen waren nie auf Liebe gebaut, den Umgang mit Kollegen meidet er weitgehend, seinen Sohn aus einer frühen Beziehung verachtet er und füttert ihn doch immer wieder durch und seine Rollen spielt er mehr routiniert als inspiriert. Er hat die Menschen immer nur benutzt, um sein Leben zu organisieren, um Karriere zu machen oder um die innere Leere zu überbrücken.
Großartiges Charakterbild
Während die Sache mit der Karriere funktioniert hat, ist die Leere geblieben – und die Vorstellung, dass das Haus mit dem großen Garten und den grünen Fensterläden, das er einmal bei einem Ausflug gesehen hat, der Schlüssel zum Glück sein könnte. Aber Georges Simenon bleibt in seinem großartigen Charakterbild konsequent, denn das Glück, das ahnt Maugin, ist eine Chimäre, die sich verflüchtigt, wenn der Glückssucher wieder hineintappt in die Falle der Biografie, als da wären: die elende Kindheit als Sohn einer Prostituierten zu Beginn des Jahrhunderts, die Jahre als Spaßmacher in billigen Lokalen, der Alkoholmissbrauch, die Schuldgefühle beim Gedanken, wen er in Armut zurückgelassen hat, während er rücksichtslos seinen beruflichen Aufstieg vorangetrieben hat.
Simenon exerziert den Fall im Geiste des Existentialismus durch, etwa im Sinne von Albert Camus, der das Individuum einer sinnlosen Welt ausgeliefert begreift, der man entweder durch Suizid entkommt, oder dadurch, und dafür plädiert Camus, dass man wie Sisyphos die Bürde des Lebens annimmt, die Götter verlacht und sein absurdes Schicksal als Lebensentwurf akzeptiert. Maugin hingegen entscheidet sich für den Suizid, nicht durch eine einmalige Tat, sondern durch das Akzeptieren des körperlichen Verfalls.
(Auszug aus der Jury-Begründung der Ex Libris Redaktion)
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