Murray G. Hall ist verstorben

Der 1947 in Winnipeg, Kanada geborene Germanist und außerordentliche Professor der Universität Wien ist am 4. September 2023 nach kurzer, schwerer Krankheit im Alter von 76 Jahren in Wien verstorben.

„Hall studierte in Kanada, Freiburg im Breisgau und Wien und wurde 1975 mit einer Dissertation über Robert Musil promoviert. 1978 erschien seine Biographie über den 1925 ermordeten Schriftsteller und Drehbuchautor Hugo Bettauer, dessen Werke er in einer mehrbändigen Ausgabe edierte. Sein Forschungs- und Publikationsschwerpunkt war das Verlagswesen und die Buchhandelsgeschichte. Mit der 1985 erschienenen zweibändigen Österreichischen Verlagsgeschichte 1918 bis 1938 verfasste der später habilitierte Germanist ein Standardwerk, das die Buchwissenschaft auf ein komplett neues Niveau hob“, schreibt der Paul Zsolnay Verlag, den eine jahrzehntelange Zusammenarbeit mit Murray G. Hall verbindet.

„Pionierarbeit leistete er auch auf dem Gebiet der Nachlassforschung und der Etablierung des Österreichischen Literaturarchivs. Seit ihrer Gründung 1999 war er Herausgeber und Redakteur der Mitteilungen der Gesellschaft für Buchforschung in Österreich. Während seiner Zeit als Hochschullehrer betreute er an die 300 Dissertationen, Diplom- und Masterarbeiten.

2013 wurde Professor Hall vom Verband der Antiquare Österreichs zum »Patron of Honour« gewählt, 2018 mit dem Preis der Stadt Wien für Publizistik ausgezeichnet.

Darüber hinaus arbeitete er von 1977 bis 2009 als Redakteur, Sprecher und Programmgestalter beim Auslandsdienst des ORF auf Kurzwelle.

Eine besondere Beziehung verband Murray G. Hall mit dem Paul Zsolnay Verlag. In der Hauptsache auf Originalquellen gestützt, arbeitete er die Geschichte des größten bis heute existierenden Literaturverlags Österreichs von der Gründung 1923/24 bis zur Rückkehr von Paul Zsolnay aus dem englischen Exil im Jahr 1946 auf – knapp 850 Seiten Verlags-, Literatur- und Zeitgeschichte. Gemeinsam mit Georg Renöckl bereitete er bis zuletzt die zum 100-jährigen Gründungsjubiläum des Verlags im Frühjahr 2024 geplante Fortschreibung vor.

»Es gab nichts, was Murray nicht wusste über unseren Verlag«, sagt Herbert Ohrlinger, der Zsolnay seit 1996 leitet. »Er war der gewissenhafte Chronist, der sowohl den kometenhaften Aufstieg nachzeichnete, als auch die zahlreichen Krisen benannte, die folgten. Dass er dafür von ehemals Verantwortlichen nicht nach Kräften gefördert, sondern sogar massiv behindert worden ist, hat ihn getroffen. Wie nah, wie eng verbunden er dem Verlag dennoch war, konnte ich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten erleben. Ich bin sehr traurig, dass er das Jubiläum des Zsolnay Verlags, der auch ein bißchen sein Verlag war, nicht mehr mit uns feiern wird.«“



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