Der diesjährige „Literaturpreis der Österreichischen Industrie – Anton Wildgans“ wurde am 9. Dezember an Reinhard Kaiser-Mühlecker vergeben. Der Preis ist mit 15.000 Euro dotiert.
„Als Industrie sind wir uns unserer Rolle und Verantwortung nicht nur für die heimische Wirtschaft bewusst, sondern auch als Unterstützer von Kunst, Kultur und ganz besonders der Literatur. Ausdruck dieses Bewusstseins ist seit vielen Jahrzehnten der Anton-Wildgans-Preis, zu dem ich Reinhard Kaiser-Mühlecker sehr herzlich gratulieren darf“, erklärte der Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV), Christoph Neumayer, anlässlich der Verleihung des „Literaturpreises der Österreichischen Industrie – Anton Wildgans“ 2019 an den österreichischen Schriftsteller Reinhard Kaiser-Mühlecker, die heuer nur in kleinem Rahmen stattfinden konnte.
Industrie und Literatur, so Neumayer, würden sich seit jeher beide durch Innovationsgeist, Mut zu Neuem und das Bestreben auszeichnen, Grenzen hinter sich zu lassen und sich beständig weiterentwickeln zu wollen. „Gerade in herausfordernden Zeiten zeigt sich aber auch: Beide, Industrie und Literatur, sind stabilisierende Anker in der Krise. So sehr wir die Industrie für allgemeinem Wohlstand, Arbeitsplätze und soziale Sicherheit brauchen, so sehr brauchen wir Kunst, Kultur und Literatur für unseren geistigen Reichtum. Ohne ihn ist jede Gesellschaft arm“, so der IV-Generalsekretär.
In seiner Rede nahm Preisträger Reinhard Kaiser-Mühlecker auf seine oberösterreichischen Wurzeln sowie prägende Ereignisse und Eindrücke seiner Kindheit und Jugend Bezug. Sein Schaffen als Schriftsteller sei gleichsam deren Summe und Ergebnis, keineswegs aber eine bewusste Berufswahl gewesen. „Meine Aufgabe habe ich nicht gewählt, sie wurde mir mit meiner Herkunft zugeteilt. Zugleich bin ich im Grunde einverstanden mit diesem Schicksal und habe längst eingesehen, dass es für mich im Schreiben nichts Anderes geben kann“, so der Autor. Wesentlich sei außerdem, einen klaren Bezug zu dem zu haben, worüber man schreibt, dann „wird etwas dabei herauskommen, das auch für andere interessant sein kann, wenn er nicht vergisst, den Menschen im Blick zu haben, wenn er versucht, den Menschen zu verstehen, zu ergründen“. Seine „Art des Hinschauens und Erzählens“, finde nun schon seit vielen Jahren Leser und Anerkennung. „Ich weiß, wie wenig selbstverständlich das ist“, so Kaiser-Mühlecker, der darauf verwies, dass Glück und Zufall für den nachhaltigen künstlerischen Erfolg stets eine gewichtige Rolle spielen und abschließend die – nicht nur in Corona-Zeiten – schwierige Situation Kulturschaffender thematisierte: „Wenn ich mir an dieser Stelle – und in diesem Jahr, das uns allen gezeigt hat, wie viel Geld auf einmal zur Hand sein kann, wenn es draufankommt – etwas wünschen oder sogar etwas fordern dürfte, wäre es das: ein Grundeinkommen für Leute, die ernsthaft und beständig in künstlerischen Berufen arbeiten. Das stünde meiner Meinung nach einem Land, das sich als Kulturnation versteht und verkauft, nicht schlecht an.“
Der mit 15.000 Euro dotierte Preis wird bereits seit 1962 von einer unabhängigen Jury vergeben. Die Begründung der Jury – bestehend aus Marianne Gruber (Ehrenpräsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Literatur), Johann Holzner (vorm. Leiter des Brenner-Archivs an der Universität Innsbruck) und Barbara Neuwirth (Schriftstellerin) – für die Auswahl des Autors: „Die Romane und Erzählungen von Reinhard Kaiser-Mühlecker führen in Regionen, in denen vieles stillsteht, weil der Anschluss an die jüngsten Modernisierungsprozesse längst verloren gegangen ist; und sie nehmen Figuren ins Visier, die gewöhnlich als Verlierer oder Entwurzelte angesehen werden. Aber aufs Korn nehmen sie die gängigen Wahrnehmungen, indem sie scheinbar stichhaltige Vereinbarungen mit äußerst verdichteten Erkundungen konfrontieren, die um den Zusammenhang von Geschichte und Mentalität oder Landschaft und Mentalität kreisen, ohne auf eine Pointe abzuzielen. Mit einer poetischen Akribie sondergleichen, die an Stifter, Hamsun, Tumler und Handke erinnern mag, doch seit langem schon als ureigenes Markenzeichen der Bücher von Kaiser-Mühlecker gelten darf, wird gegen jedes vorschnelle Urteil Einspruch angemeldet und stattdessen jede Art die Welt zu betrachten, nicht zuletzt auch jede große Erzählung selbst unnachgiebig einer Nachprüfung unterzogen.“
Der Preis wird auf Vorschlag der unabhängigen Jury einem Schriftsteller oder einer Schriftstellerin der jüngeren oder mittleren Generation mit österreichischer Staatsbürgerschaft verliehen, „dessen oder deren Werk von hervorragender Relevanz für die literarische und gesellschaftliche Korrelation unserer Zeit ist.“
Er gehört zu den renommiertesten österreichischen Literaturpreisen. Unter den Preisträger*innen befinden sich eine Reihe von prominenten Autor*innen der Zweiten Republik wie Ingeborg Bachmann, Michael Köhlmeier, Arno Geiger, Sabine Gruber, Olga Flor, Norbert Gstrein, Robert Seethaler, Erich Hackl, Margit Schreiner, Sabine Scholl und Daniel Kehlmann.
Reinhard Kaiser-Mühlecker wurde 1982 in Kirchdorf a. d. Krems geboren, wuchs im oberösterreichischen Eberstalzell auf und studierte später Landwirtschaft, Geschichte und Internationale Entwicklung in Wien. Sein Debütroman „Der lange Gang über die Stationen“ erschien 2008, es folgten u.a. „Magdalenaberg (2009), „Wiedersehen in Fiumicino“ (2011), „Roter Flieder“ (2012) und „Schwarzer Flieder“ (2014). Für sein bisheriges Schaffen erhielt der österreichische Schriftsteller zahlreiche renommierte Literaturpreise, darunter den Literaturpreis der Jürgen Ponto-Stiftung, den Österreichischen Staatspreis und den Literaturpreis des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft. Mit dem Roman „Fremde Seele, dunkler Wald“ (2016) gelang Reinhard Kaiser-Mühlecker zudem der Sprung in die Shortlist des Deutschen Buchpreises.
14.12.2020