„Die Buchbranche ist europäisch“

Nach vier gemeinsamen Jahren an der Spitze der FEP haben Peter Kraus vom Cleff und Benedikt Föger ihre Ämter abgegeben. Mit dem deutschen Börsenblatt und dem österreichischen anzeiger zogen sie eine Bilanz ihrer ehrenamtlichen Arbeit.

Sie haben gemeinsam vier Jahre im Vorstand der FEP gearbeitet. In diese Zeit fielen eine Europawahl, der Brexit und die Coronapandemie. Was hat aus Ihrer Sicht die europäische Interessenvertretung der Verlage am stärksten beeinflusst?
Benedikt Föger: Der Brexit hat schon mal direkt das FEP-Gefüge ins Wanken gebracht. Die Satzung wurde geändert, damit auch unsere sehr geschätzten Kollegen der Publishers Association weiterhin Mitglieder sein und die Arbeit von FEP unterstützen können. Das war enorm wichtig. Die kurz zuvor stattfindende Europawahl hat beispielsweise die Zusammensetzungen der für uns wichtigen Ausschüsse durchmischt, wir haben uns sortiert und neue AnsprechpartnerInnen kennengelernt.
Peter Kraus vom Cleff: Gerade angesichts der Wahltendenzen der letzten Jahre in den EU-Mitgliedsländern ging mit der Europawahl 2019 natürlich auch ein Bangen einher, wohin die Mehrheiten rutschen. Am meisten beeinflusst hat die Interessenvertretung meiner Meinung nach aber die Verbannung hinter die Bildschirme während der herausfordernden Zeit ab 2020. Man musste neu denken, neue Formate finden. Aber eine echte und gewinnbringende Auseinandersetzung mit einem Gegenüber lässt sich persönlich einfach besser führen. Ich bin froh, dass wir auf dem Weg dorthin zurück sind.

Sind Sie rückblickend zufrieden damit, wie die FEP auf diese Herausforderungen reagiert hat und gibt es etwas, das Sie rückblickend anders gemacht hätten?
KvC: Grundsätzlich können wir zufrieden sein. Wir haben Kontakte gehalten und neue aufgebaut, außerdem wichtige Themen und Projekte weiterhin intensiv verfolgt, haben die britischen Kollegen bei uns halten können und schauen für den Dachverband positiv in die Zukunft.
BF: Sehr schnell haben wir reagiert mit Corona-Berichten und Statistiken, die den Entscheidungsträgern in den Institutionen helfen konnten, die Bedürfnisse der Buchbranche einzuschätzen. Es ist sehr wichtig und sehr zeitaufwändig, vergleichbares Zahlenmaterial zusammenzustellen. Das ist uns gelungen und wurde sehr gut aufgenommen.
KvC: Was die aktuellen weltpolitischen Herausforderungen angeht, Beispiel Ukraine, versuchen wir kleine Beiträge zu leisten. Vermutlich kann jeder noch mehr tun. Aber ich denke, dass unsere Branche auch da wertvolle Arbeit leistet. Seit dem völkerrechtswidrigen russischen Angriffskrieg ist unsere Welt nicht mehr dieselbe.

Die Digitalpolitik der EU zielt – Stichwort DSM – auf einen digitalen europäischen Binnenmarkt. Welche Chancen liegen darin für die Buchverlage? Und welche Risiken sehen Sie?
KvC: Die ganze Diskussion um die Urheberrechtsrichtlinie war ein Meilenstein, den wir in Brüssel gegen viele Widerstände und einer millionenschweren Lobby der sogenannten GAFAM (Google, Apple, Facebook, Amazon, Microsoft) bearbeitet haben. Einen ähnlichen Kraftakt habe ich noch nicht erlebt. Und wir konnten alle Mitgliedsverbände und deren Mitglieder motivieren, sich für die Sache einzusetzen und schlussendlich beitragen, das „Ding“ durchzubringen.
BF: Einige Federn mussten wir lassen. Es wäre aber ungleich schlimmer gewesen, das Unternehmen scheitern zu sehen.
KvC: Konkret werden wir bessere Möglichkeiten haben, illegale Inhalte von Content-Sharing Service-Providern herunterzubekommen und hoffentlich zu halten. Ziel des europäischen Gesetzgebers war es, die großen Plattformen in die Pflicht zu nehmen, die die Verantwortung allzu gern an die NutzerInnen abgeben.
BF: Unzufrieden sind wir mit der unzureichenden technischen Umsetzung beim Thema vergriffene Werke, da muss das das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) nacharbeiten. Ansonsten müssen wir beobachten, wie teils sehr unterschiedliche nationale Umsetzungen etwa bei der Plattformhaftung sich in der Praxis auswirken werden. Deutschland ist dabei einen Sonderweg gegangen, der uns durchaus Sorge bereitet.

Vor drei Jahren trat der European Accessibility Act in Kraft, nationale Umsetzungen müssen jetzt folgen. Ist die Buchbranche in Sachen Barrierefreiheit schon hinreichend wach geworden?
KvC: In Deutschland wurde der EAA bereits mit dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) umgesetzt.
BF: Österreich ist auf einem guten Weg dahin.
KvC: Ich habe das Gefühl, dass sich in den vergangenen Jahren im Bewusstsein der Buchbranche sehr viel getan hat – und das ist wirklich nötig und gut so. Seitens FEP versuchen wir Unterstützung für die Mitgliedsverbände zu leisten und können da auch stark auf unsere italienischen Kolleginnen der Fondazione LIA zählen. Wir sind aber auch national bestens aufgestellt mit der Taskforce Barrierefreiheit im Börsenverein, die sehr wertvolle Arbeit leistet.
BF: Besonders schön ist, dass die Taskforce den deutschsprachigen Buchmarkt betrachtet und österreichische und Schweizer Kolleginnen und ExpertInnen mitarbeiten. Die Handreichungen, Angebote und Projekte werden in der Branche sehr gut angenommen.

Mit Gesetzen über digitale Dienste (DSA) und digitale Märkte (DMA) versucht die EU, die großen Plattformen zu regulieren. Im Fokus stehen die Nutzer. Drohen Urheber und Verwerter dabei ins Hintertreffen zu geraten?
BF: Das ist nicht ganz richtig: Gerade beim DMA stehen die Unternehmen im Fokus, nicht die individuellen NutzerInnen. Grundsätzlich werden den Online-Gatekeepern Verpflichtungen auferlegt, die im Sinne eines fairen Wettbewerbs aber auch der kulturellen Vielfalt sind, zu nennen wären hier die gemeinsame Nutzung von Daten, das Verbot der Selbst-Präferenzierung und das Verbot von Meistbegünstigungsklauseln.
KvC: Bei großen und flächendeckenden Lösungen für viele werden Besonderheiten einzelner Branchen allerdings oftmals vernachlässigt. Das zeigt sich etwa beim DMA am Thema Interoperabilität. Hier müssen Lösungen noch passgenauer mit dem Verständnis für die Besonderheiten des Buchhandels gestaltet werden. Beim DSA hätten wir uns grundsätzlich noch mehr Verständnis für die KMU unserer Branche gewünscht. Einmal mehr wurden wir auch hier der machtvollen Einflussnahmen der großen Plattformen bewusst.

Was waren FEP-intern die Schwerpunkte Ihrer beiden Amtszeiten als Schatzmeister bzw. Vizepräsident und dann Präsident?
BF: Als Schatzmeister, der ich nun sechs Jahre war, war es mir sehr wichtig, den Dachverband gut aufzustellen, Sicherheiten zu geben und das ist zum einen mit dem Umzug des Büros in eigene Räume gelungen aber auch mit der Reform der Beitragsstrukturen, die fair, für alle transparent nachvollziehbar und zeitgemäß sind. Sie haben uns auch erlaubt, in den unsicheren Zeiten seit 2020 saubere und gleichzeitig entgegenkommende Lösungen zu finden.
KvC: Ich bin Benedikt sehr dankbar für diese Arbeit, die eher im Hintergrund passiert, aber Grundstein für einen funktionierenden Dachverband ist und durchaus auch großes diplomatisches Geschick verlangt. Wenn ich einen Schwerpunkt herausheben würde, wäre es die Förderung des Branchennachwuchses: jungen Verlagsmenschen Brüssel und die Arbeit von FEP nahebringen, damit sie Lust an den Themen bekommen und den europäischen Gedanken mit Leben füllen. Das haben wir mit dem Projekt YPPiB erfolgreich umgesetzt und ich freue mich, dass dieser Austausch auch nach unserer Amtszeit fortgesetzt wird.

Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit anderen internationalen Verbänden, insbesondere der EIBF und der IPA?
BF: (Leider) haben wir gerade beim Thema „Freedom to Publish“ immer wieder Anlässe, gemeinsam mit IPA an die EU-Institutionen heranzutreten. Das ist bei dem durch chinesische Behörden verschleppten schwedischen Buchhändler und Verleger Gui Minhai der Fall, ebenso wie bei der inhaftierten vietnamesischen Verlegerin Pham Doan Trang – beide Prix Voltaire-PreisträgerInnen der IPA. Aber auch auf anderen Ebenen – beim Urheberrecht genauso wie bei der Erarbeitung von relevantem Zahlenmaterial – ist die Zusammenarbeit einfach sehr wichtig und befruchtend.
KvC: Auch die Zusammenarbeit mit dem Haupt- und Ehrenamt der EIBF ist sehr angenehm, kollegial-freundschaftlich und unterstützend. Nicht nur in den gemeinsamen Projekten wie dem EUPL, sondern auch bei gesetzgeberischen Beratungen und Stellungnahmen sind wir in ständigem Austausch. Darüber hinaus gibt es Zusammenschlüsse der Kreativ- und Kulturwirtschaft in Brüssel, die sich regelmäßig austauschen und zusammenwirken. Besonders gefreut habe ich mich, dass sich meine Amtszeit mit der Präsidentschaft von Nina George im European Writers Council (EWC) überschnitten hat und wir in Brüssel den guten Austausch, den wir auch auf nationaler Ebene pflegen, ausbauen konnten.

Seit Februar dieses Jahres engagieren Sie sich stark und konkret für die Ukraine. Was wurde bisher erreicht? Welche nächsten Schritte stehen an?
BF: Es ist wirklich erstaunlich, was innerhalb kürzester Zeit auch über FEP zusammen- und beigetragen wurde. Exemplarisch würde ich hier das Crowdfunding-Projekt nennen, das noch in Bologna im Frühjahr 2022 ins Leben gerufen wurde, in Kooperation mit dem Ukrainian Book Institute. Bislang konnten 15.000 Bücher in Polen, Ungarn, Deutschland und Italien an geflüchtete ukrainische Kinder verteilt werden. Weitere Länder werden folgen.
KvC: Wir bemühen uns den nachhaltigen Gedanken zu haben: Was kann Verlagen, AutorInnen und der Buchbranche insgesamt in der Ukraine im Krieg aber auch in den Jahren danach helfen? Wie können wir den Austausch mit den KollegInnen fördern und helfen, die Strukturen im Land wieder aufzubauen? Hierfür haben wir zum einen die Stiftung, die wir mit dem Börsenverein aufgesetzt haben, über die FEP-Mitglieder beworben, aber auch ein weiteres Projekt angeschoben, das unter anderem deutschsprachige Kinderbuchverlage involvieren wird und zu dem wir bald mehr erzählen können. Auf der Frankfurter Buchmesse hat man die Unterstützung der Buchwelt für die Ukraine überall gespürt. Und ich bin Präsident Selenskyj sehr dankbar, dass er auf dem Annual Rendez-Vous der FEP eine sehr klare Botschaft an die europäische und internationale Buchwelt gesendet hat.

Klimafreundliche Produktion ist ein zunehmend wichtiges Thema: Inwiefern konnte die FEP bereits dazu beitragen, die Buchbranche nachhaltiger zu gestalten? Welche Schritte müssen noch gemacht werden?
BF: Zunächst einmal hat sich FEP auch selbst den Spiegel vorgehalten, nicht nur in der Büroorganisation, sondern auch was die Reiseroutinen betrifft. Das ist der wichtige erste Schritt.
KvC: Mit Hochdruck arbeiten wir zudem in einer Arbeitsgruppe Sustainability. Zwei Schwerpunkte werden dort im Moment verfolgt: Best-Practices in den Mitgliedsverbänden zusammentragen und teilen. Der andere Schwerpunkt ist die Auseinandersetzung mit Förderprojekten, um guten Initiativen europaweit Schwung zu geben. Auch bei diesem großen Themenkomplex besteht übrigens ein enger Austausch mit den KollegInnen der IPA. Und selbstverständlich zur auf der diesjährigen Frankfurter Buchmesse mit großer Resonanz gestarteten BöV-IG Nachhaltigkeit.

Wenn Sie auf die Amtszeit Ihrer Nachfolger schauen: Was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen für die FEP in den kommenden Jahren?
BF: Ich denke, die großen Themen und Krisen der vergangenen Jahre, die Pandemie, die wirtschaftlich schwierigen Rahmenbedingungen, haben gezeigt, wie wichtig es ist, auf europäischer Ebene geschlossen und koordiniert aufzutreten. Das zu leisten, was einzelne Ländervertretungen alleine nicht können, ist die große Stärke und auch zukünftige Aufgabe der FEP.
KvC: Es wird weiterhin großer Anstrengungen bedürfen, die für unsere Branche so elementaren rechtlichen Rahmenbedingen, insbesondere das Urheberrecht, zu verteidigen. Gerade rund ums E-lending wird es weiterhin spannend bleiben. Das Marktversagen der Plattformökonomie muss immer wieder hervorgehoben werden – alle großen Verlage, die gesamte Buchbranche ist im Kern europäisch, alle Internetplattformen jedoch entweder US-amerikanisch oder chinesisch. Der EU sollte allmählich klar werden, für wessen Interessen sie entschieden einzutreten hat. Neben der Freude über die in den letzten Jahren gemeinsam erreichten Meilensteine bleibt ein Hauch Melancholie, denn sie alle werden mir fehlen, die KollegInnen aus den insgesamt 29 Mitgliedsverbänden der FEP. Das Interview möchte ich mit einem großen Dank an das Team in Brüssel abschließen. Sie leisten zu viert einfach richtig gute Arbeit!
BF: Absolut: grazie und merci – und als Delegierter des HVB bleibe ich der FEP ja zu meiner großen Freude weiterhin erhalten.

Dieses Interview wurde von Torsten Casimir für das Börsenblatt und Linn Ritsch für den anzeiger geführt. Es erscheint in gedruckter Form im anzeiger 11/2022, Erscheinungsdatum: 23. November 2022.

Das bisherige FEP-Spitzenduo über den Dächern Brüssels: Peter Kraus vom Cleff und Benedikt Föger (rechts); im Hintergrund das Europäische Parlament.
Das bisherige FEP-Spitzenduo über den Dächern Brüssels: Peter Kraus vom Cleff und Benedikt Föger (rechts); im Hintergrund das Europäische Parlament. © Kristina Kramer
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