ORF Bestenliste Mai

Im Mai 2024 steigt Karl-Markus Gauß mit „Schiff aus Stein“ (Zsolnay) auf Platz 1 der ORF-Bestenliste auf. Der 2. Platz geht an Anna Mitgutsch mit „Unzustellbare Briefe“ (Luchterhand). Iris Wolff kommt mit „Lichtungen“ (Klett-Cotta) auf Platz 3.

Platz 1: Karl-Markus Gauß „Schiff aus Stein“, Zsolnay

Ein würdiges Leben, ohne den Blick in den Abgrund zu wagen, das ist nicht möglich – so lautet das Credo des in Salzburg lebenden Schriftstellers Karl-Markus Gauß. Er hat sich vor allem als scharfzüngiger Kommentator der Tagespolitik und als bis an die Ränder Europas reisender Autor einen Namen gemacht. Im Mai feiert Gauß seinen 70. Geburtstag, dem er ein neues Buch vorwegschickt: „Schiff aus Stein“. Darin widmet er sich vorwiegend den Schönheiten des Alltäglichen. Er durchquert entlegene Ortschaften, spürt vergangenen Träumen nach und erinnert sich an Zufallsbegegnungen. Von Kaffeehausszenen, U-Bahn-Begegnungen, Friedhofsträumen, und Erkundungen wenig bekannter Orte, etwa in der Obersteiermark oder entlang der Küste Dalmatiens erzählen die Miniaturen im Buch. Gauß’ Kunst besteht im Sichtbarmachen der oftmals unsichtbaren Besonderheiten des Lebens.

Platz 2: Anna Mitgutsch „Unzustellbare Briefe“, Luchterhand

Seit ihrem Debüt „Die Züchtigung“, erschienen 1985, zählt sie zu den fixen Größen der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur: die nach vielen Jahren in den USA wieder in Linz lebende Autorin Anna Mitgutsch. Geraume Zeit hat sie an ihrem neuen Buch gearbeitet, zögerte lange, es zu veröffentlichen – jetzt ist es doch erschienen: „Unzustellbare Briefe“ ist der Titel. Anna Mitgutsch hält darin schonungslos Rückschau auf ein bewegtes, in jeder Hinsicht unkonventionelles Leben, in dessen Zentrum ein nicht zu zähmender Freiheitsdrang steht. Dieser Blick zurück erfolgt in Form von Briefen: beginnend mit ihrer Großmutter bis hin zur ersten großen Liebe, ihrer charismatischen Literaturagentin, ihrem treuen, langjährigen Lektor und einigen anderen mehr. Ihre vielen Reisen, nicht zuletzt nach Israel: sie finden darin Niederschlag. Dreh- und Angelpunkt des Buches ist das Ringen eines weiblichen Ich um einen Ort als Schreibende in der Welt. Was dieses Ich zusammenhält, ist ein ausgeprägtes Talent zur Nicht-Angepasstheit – sich einer Gruppe ganz anzuschließen, war für Mitgutsch nie eine Option.

Platz 3: Iris Wolff „Lichtungen“, Klett-Cotta

Mit dem vielgelobten Roman „Die Unschärfe der Welt“ gelang Iris Wolff 2020 der literarische Durchbruch. Die Schriftstellerin wurde 1977 in Siebenbürgen geboren, noch im Kindesalter zog sie mit ihrer Familie nach Deutschland. Das Aufwachsen in diesem Teil Rumäniens ist Dreh- und Angelpunkt ihres Schreibens geblieben, so auch im neuen Roman „Lichtungen“. Hauptfiguren sind die quirlige Kato und der ruhige Lev, die einander seit ihrer Kindheit im Rumänien Ceausescus kennen – doch all das erfahren wir eigentlich erst später, denn: Wolff erzählt hier die Geschichte einer Freundschaft im Rückwärtsgang. Der Roman setzt ein mit Kapitel 9; das ungleiche Paar befindet sich gerade auf einer Reise quer durch Europa. „Wann kommst du?“ hatte Kato, die seit 5 Jahren als nomadische Straßenmalerin unterwegs ist, ihrem Freund auf einer Postkarte aus Zürich geschrieben – was dem zögerlichen Lev endlich den Mut gab, seine Heimat zu verlassen. Mit jeder Seite erfährt man mehr über den Ursprung dieser Freundschaft, an der Wolff unaufdringlich die jüngere Geschichte Rumäniens vorbeirauschen lässt.

Die gesamte ORF-Bestenliste finden Sie hier.

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