ORF Bestenliste März

Im März 2024 steigt Iris Wolff mit „Lichtungen“ (Klett-Cotta) auf Platz 1 der ORF-Bestenliste ein. Auf Platz 2 steht Julia Jost mit „Karawanken“ (Suhrkamp). Valerie Fritschs „Zitronen“ (Suhrkamp) erhält Platz 3.

Platz 1: Iris Wolff „Lichtungen”, Klett-Cotta

Mit dem vielgelobten Roman „Die Unschärfe der Welt“ gelang Iris Wolff 2020 der literarische Durchbruch. Die Schriftstellerin wurde 1977 in Siebenbürgen geboren, noch im Kindesalter zog sie mit ihrer Familie nach Deutschland. Das Aufwachsen in diesem Teil Rumäniens ist Dreh- und Angelpunkt ihres Schreibens geblieben, so auch im neuen Roman „Lichtungen“. Hauptfiguren sind die quirlige Kato und der ruhige Lev, die einander seit ihrer Kindheit im Rumänien Ceausescus kennen – doch all das erfahren wir eigentlich erst später, denn: Wolff erzählt hier die Geschichte einer Freundschaft im Rückwärtsgang. Der Roman setzt ein mit Kapitel 9; das ungleiche Paar befindet sich gerade auf einer Reise quer durch Europa. „Wann kommst du?“ hatte Kato, die seit 5 Jahren als nomadische Straßenmalerin unterwegs ist, ihrem Freund auf einer Postkarte aus Zürich geschrieben – was dem zögerlichen Lev endlich den Mut gab, seine Heimat zu verlassen. Mit jeder Seite erfährt man mehr über den Ursprung dieser Freundschaft, an der Wolff unaufdringlich die jüngere Geschichte Rumäniens vorbeirauschen lässt.

Platz 2: Julia Jost „Karawanken“, Suhrkamp

Julia Jost wird momentan als vielversprechendste neue Stimme der heimischen Literaturszene gehandelt. 2019 trat die gebürtige Kärntnerin beim Wettlesen um den Ingeborg-Bachmann-Preis in Klagenfurt an und wurde mit dem Kelag-Preis ausgezeichnet. Aus dem Text, den sie dort las, ist nun ihr Debut „Wo der spitzeste Zahn der Karawanken in den Himmel hinauf fletscht“ entstanden, veröffentlicht im renommierten Suhrkamp-Verlag. Mit dem Roman stellt sich Jost klar in die Tradition der Anti-Heimat-Literatur und findet dabei doch einen ganz eigenen, erfrischend heiter-ironischen Ton. Ausgehend von ihrer eigenen Kindheit im Kärnten der 80er und 90er Jahre entfaltet die Autorin eine genussvoll überzeichnete, grotesk-komische Dorfwelt: Stammtisch, NS-Verherrlichung, Freunderlwirtschaft. Auch alte Bekannte aus der Kärntner Polit-Elite sind unschwer zu erkennen. Doch den Roman auf diese politische Dimension zu reduzieren, wäre verfehlt. Im Zentrum steht die gewitzt-boshafte Sprache einer Autorin, von der man noch viel hören wird.

Platz 3: Valerie Fritsch „Zitronen“, Suhrkamp

2015 hat die damals gerade einmal 25-jährige Valerie Fritsch mit ihrem Weltuntergangs-Roman „Winters Garten“ einen weitreichenden Erfolg gelandet. Heute ist Fritsch eine fixe Größe in der deutschsprachigen Literatur. In ihren Büchern arbeitet sie sich oft an schwierigen Familienkonstellationen ab, so auch im neuen Roman „Zitronen“. Alles dreht sich darin um eine perfide Art des Kindesmissbrauchs, dem Münchhausen-Stellvertretersyndrom. Zu rund 95% Prozent handelt es sich bei den Tätern um Frauen, meist die leiblichen Mütter der Opfer, die ihre Kinder gezielt krank machen, um sich nach außen hin aufopfernd um sie zu kümmern. Die Täterin in Fritschs Roman ist eine gescheiterte Frau, die immer davon träumt, jemand anderer zu sein als sie selbst. Dem Opfer, ihrem Sohn, gelingt es sich aus dieser grausamen Zärtlichkeit zu lösen. Auf sich allein gestellt steht er vor der Aufgabe, den Scherben seiner Existenz zu entwachsen.

Die gesamte ORF-Bestenliste finden Sie hier.

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