ORF Bestenliste Jänner

Im Jänner 2024 steht Barbi Marković mit Ihrem Roman „Minihorror“ (Residenz) auf Platz 1 der ORF-Bestenliste. Platz 2 geht an László Krasznahorkai mit „Im Wahn der Anderen“ (S. Fischer). Zadie Smiths „Betrug“ (Kiepenheuer & Witsch) erhält Platz 3.

Platz 1: Barbi Marković „Minihorror“, Residenz

Die Schriftstellerin Barbi Marković hat ein gutes Jahr hinter sich. Gleich zwei Mal wurde sie heuer ausgezeichnet, mit dem Berliner Kunstpreis und dem Outstanding Artist Award des Bundesministeriums für Kunst und Kultur. Nach „Die verschissene Zeit“ ist „Minihorror“ der zweite Roman, den die in Belgrad aufgewachsene Schriftstellerin auf Deutsch geschrieben hat und der sich, wie der Vorgänger, durch einen unverkennbar originellen Sound auszeichnet. Horror trifft das „Lustige Taschenbuch“, so könnte man das Buch, das aus rund zwei Dutzend zusammenhängenden Geschichten besteht, mit wenigen Worten beschreiben. Die Hauptfiguren Miki und Mini lassen ganz bewusst an die weltbekannten Disney-Mäuse denken, bieten aber gleichzeitig reichlich Identifikationspotenzial, denn ihr Horror ist der ganz normale städtische Alltag: Da lauern menschenfressende Cousinen-Monster im Supermarkt, es zerbröckeln Gesichter unter den Abschminktüchern und ein Besuch bei Ikea wird zum existenzialistischen Spießrutenlauf. Skurril, bissig und doch einfühlsam widmet sich Barbi Marković in „Minihorror“ den Ängsten des Mittelstands.

Platz 2: László Krasznahorkai „Im Wahn der Anderen“, S. Fischer
Übersetzung: Heike Flemming

Der ungarische Schriftsteller László Krasznahorkai zählt seit Jahren zu den ganz großen Namen der europäischen Literatur. Der in Triest lebende Autor wurde bereits vielfach ausgezeichnet, zuletzt etwa mit dem österreichischen Staatspreis für Europäische Literatur. Und auch auf den Wettlisten für den Literaturnobelpreis findet sich sein Name jedes Jahr ganz oben. „Meister der Apokalypse“ wird der 69-Jährige gerne genannt, da er sich in seinem Schreiben oft mit Untergangsszenarien und Verfallsprozessen auseinandersetzt. Diesem Ruf wird Krasznahorkai auch in seinem neuen Buch „Im Wahn der Anderen“ gerecht. Es ist ein literarisches Triptychon der Paranoia und des Wahns, das mit Zeichnungen des Künstlers Max Neumann versehen ist. Das Herzstück der drei Erzählungen bildet Kleinstarbeit für einen Palast: Alles dreht sich darin um einen New Yorker Bibliothekar, der seine Arbeit zunehmend als stupide Endlosschleife wahrnimmt und von Senkfüßen geplagt wird. Er begibt sich auf die Spuren von Herman Melville und verirrt sich dabei immer stärker auf den Wegen des großen Schriftstellers – bis er sich selbst gänzlich verliert.

Platz 3: Zadie Smith „Betrug“, Kiepenheuer & Witsch
Übersetzung: Tanja Handels

Mit ihrem Romandebüt „Zähne zeigen“ wurde die damals 25-jährige Zadie Smith im Jahr 2000 schlagartig bekannt. Etliche Romane, Erzählungen und Essays später, zählt die 1975 in London als Tochter einer Jamaikanerin und eines Briten geborene Smith zu den großen Stars der Literaturszene. In der Vergangenheit hat die Schriftstellerin ihr Schreiben meist im multikulturellen London der Gegenwart verankert, in „Betrug“ nimmt sie sich erstmals eines historischen Stoffes an. Die Handlung spielt im viktorianischen England und kreist um einen historischen Gerichtsprozess, den sogenannten „Tichborne Fall“. Arthur Orten, ein Londoner Fleischhacker steht vor Gericht, weil er behauptet, Roger Tichborne zu sein, der Jahre zuvor verschollene Erbe des Tichborne-Clans. Lady Tichborne meint in dem Mann ihren Sohn wiederzuerkennen, doch die restliche Verwandtschaft durchschaut den Betrug. Die gänzliche Unähnlichkeit zwischen den beiden Männern sowie Ortons völlige Unkenntnis des Französischen (Tichbornes zweiter Muttersprache) sollte aus dem Fall eigentlich eine klare Angelegenheit machen – doch die Presse macht aus dem Hochstapler eine Art Robin Hood, eine Galionsfigur des Klassenkampfs.

Die gesamte ORF-Bestenliste finden Sie hier.

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