Bei der traditionellen Preisverleihung im Mozarteum Salzburg überreichte Kunst- und Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer den Österreichischen Staatspreis für Europäische Literatur 2021 an den ungarischen Schriftsteller László Krasznahorkai. Die Preisverleihung fand im Beisein von zahlreichen Repräsentanten aus Politik, Kultur und Wissenschaft statt, etwa Bundeskanzlerin a.D. Brigitte Bierlein, Generaldirektorin der Nationalbibliothek Johanna Rachinger und Schriftsteller Peter Altmann.
„Ich freue mich, den diesjährigen Österreichischen Staatspreis für Europäische Literatur an László Krasznahorkai zu überreichen. Es ist ein Zeichen unserer großen Wertschätzung für László Krasznahorkais einzigartiges, eigensinniges Werk, mit dem er die Kunst des Romans erweitert, verändert und immer wieder neu erfindet“, so Staatssekretärin Mayer. „Von Beginn an war der Österreichische Staatspreis für Europäische Literatur ein Bekenntnis zur Literatur und zu Europa – und gleichzeitig Ausdruck des Respekts vor Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Auch wenn in László Krasznahorkais Prosa sich die Abgründe und Widersprüche unserer Gegenwart auftun – sie ist von irritierender, berückender Schönheit. Jedes seiner Bücher ist ein literarisches Wunder. Sie finden ihren Weg hinaus in alle Länder Europas und über den Atlantik und schaffen es Hunderttausende Leserinnen und Leser zu begeistert. Ich gratuliere ganz herzlich.“
In seiner Laudatio verwies Literaturwissenschaftler Klaus Kastberger auf die bestimmenden Gegensätze in den Erzählwelten Krasznahorkais. „Auf der einen Seite bietet sich in seinen Büchern ein oft nur noch verwehtes Loblied auf eine fast schon göttlich zu nennende Schönheit vorwiegend in der europäischen Musik. Auf der anderen Seite ist da aber stets auch die Beschreibung einer teuflischen Gesellschaft, die von solch göttlichen Funken in der Kunst wie überhaupt von allen Formen kultureller Traditionsbildung rein gar nichts hält. Eine solche Gesellschaft kann jederzeit von Demagogen und Ideologen verführt werden. Sie hat keinen Halt und ist dem Nichts ausgesetzt, das sie umgibt.“
Die fünfköpfige Jury für den Preis 2021 bestand aus Xaver Bayer, Karin Cerny, Paulus Hochgatterer, Klaus Kastberger und Claudia Romeder.
Die Jurybegründung: „László Krasznahorkai ist ein Meister der literarischen Intensität. In komplex verflochtenen Sätzen beschreibt er in seinen Erzählungen und Romanen heruntergekommene Wirklichkeiten, enttäuschte Hoffnungen sowie die Gewalt gesellschaftlicher Zusammenhänge. Er entwirft verstörende Panoramen der ungarischen Kleinstadt, begibt sich auf Expeditionen in weit entfernte Weltgegenden und kehrt doch immer wieder zu den Verhältnissen seines Heimatlandes zurück. Krasznahorkai ist ein wahrhaft europäischer und ein philosophischer Autor: Gewaltige Visionen einer anderen Welt durchziehen seine Bücher, Heilsversprechen bauen sich auf und stürzen in sich zusammen. In den Ritzen der Melancholie aber nistet der Humor. Ganz so, als würde es sich dabei um den eigentlichen Agenten eines freieren Lebens handeln.“
László Krasznahorkai, geboren am 5. Januar 1954 in Ungarn, studierte zunächst Jura in Szeged, dann von 1976 bis 1983 Ungarisch und Literatur an der Universität Budapest. Für längere Zeit lebte er nach 1987 in Berlin und in den frühen 1990er Jahren in China, der Mongolei und Kyōto. In dieser Zeit lebte er auch für eine Weile in der Wohnung von Allen Ginsberg in New York, der ihn auch beim Schreiben beriet.
Seine Romane wurden in viele Sprachen übersetzt und mit internationalen Preisen ausgezeichnet, darunter der Tibor-Déry-Preis, der Preis der SWR-Bestenliste (1993), der Kossuth-Preis (2004), der Spycher: Literaturpreis Leuk (2010), der Brücke Berlin Literatur- und Übersetzerpreis (2010) sowie der Österreichischer Staatspreis für Europäische Literatur (2021).
Der Österreichische Staatspreis für Europäische Literatur wird seit 1965 jährlich für ein literarisches Gesamtwerk vergeben und ist mit 25.000 Euro dotiert. Zuletzt ging der Preis an Karl Ove Knausgård (2017), Zadie Smith (2018), Michel Houellebecq (2019) und Drago Jančar (2020).
26.07.2021