Die Buchbranche schließt das Jahr 2020 mit 4,4 % weniger Umsatz als 2019 ab: Welcher Bereich dazugewonnen, welcher verloren hat, wie sich die Buchpreise entwickelt haben und wie sich die Buchbranche bewährt hat.
Die Pandemie traf 2020 auch die – auf mögliche Folgen solcher Katastrophen unvorbereitete – österreichische Buchbranche. Das löste einen Innovationsschub aus, vor allem in Richtung Digitalisierung und engerer Zusammenarbeit der einzelnen am Markt Beteiligten, was die Voraussetzungen dafür schuf, mit den durch die Pandemie verursachten Problemen für die Branche weit besser fertig zu werden als ursprünglich befürchtet. Statt einem Totalausfall des Geschäfts konnten die Verluste überschaubar gehalten werden, wie die Jahreszahlen 2020 zeigen, die vom Marktforschungsinstitut media control im Auftrag des Hauptverbands des Österreichischen Buchhandels (HVB) erstellt werden. Dazu wertet media control rund 90 % der Verkaufsdaten im heimischen Buchhandel aus. Erhoben werden dabei sowohl Verkäufe im stationären Buchhandel, im Onlinehandel inklusive Amazon-Verkäufe als auch in Kauf- und Warenhäusern sowie Elektro- und Drogeriemärkten. Insgesamt endete 2020 mit einem Rückgang des Umsatzes von 4,4 %.
Nach einem Jahr, in dem ein Großteil der Veranstaltungen von Buchpräsentationen bis Messen abgesagt werden musste und drei Lockdowns in Österreich auch den Verkauf enorm eingeschränkt haben, stellt sich die Frage: Wie hat sich die Branche bewährt?
Der Tag mit dem höchsten Umsatz im Verkauf
2020 hoffte die Branche ganz besonders auf das Weihnachtsgeschäft. Die traditionell umsatzstärkste Zeit im Buchhandel sollte die großen Verluste des Frühjahrs möglichst ausgleichen. „Die Buchbranche hat trotz der Lockdowns in Österreich das Jahr nur mit einem Minus von 4,4 % abgeschlossen“, sagt Deniz Ulucan, Leiter der Sparte Buch bei media control und für die gesamte Buchmarktforschung in Österreich, Deutschland und der Schweiz verantwortlich. „Doch zwischenzeitlich lag die Branche bei einem zweistelligen Minus.“ Im März 2020 war der österreichische Buchhandel mit Umsatzrückgängen von 24,3 % (im stationären Handel sogar von 41,4 %) im Vergleich zum Vorjahresmonat konfrontiert, im April gab es ein Minus von 31,8 %. Der Dezember hingegen brachte einen Zuwachs von 0,6 %, obwohl der zweite, harte Lockdown bis zum 6. Dezember gedauert hatte: „Dieser Lockdown hat den Jahresendspurt der Branche ausgebremst“, sagt Deniz Ulucan. „Allerdings brachte vor allem die Warengruppe Sachbuch dem Verkauf im Dezember eine Umsatzsteigerung von 19,2 %.“
Am 21. Dezember 2020, dem Tag mit dem höchsten Umsatz im Buchmarkt in Österreich, übertraf der Umsatz den umsatzstärksten Tag des Vorjahres um 2,85 %. Insgesamt fielen 9 % des Jahresumsatzes auf den November und 18,2 % auf den Dezember.
Der Verkauf von Kinderbüchern legte zu
Zu den umsatzstärksten Warengruppen zählten 2020 Belletristik (28,3 %), Ratgeber (21,9 %) sowie Kinder- und Jugendbücher (19,9 %). Den größten Rückgang erlitt der Bereich „Reise“, er rutschte von einem Gesamtverkaufsanteil von 7,2 % auf nunmehr 4,4 % ab.
Hingegen brachten Kinder- und Jugendbücher im pandemiegeplagten Jahr mehr Umsatz (+2,88 %) als noch im Jahr zuvor.
Der Umsatz bei Sachbüchern gab um 0,24 % nach, der bei Belletristik um 2,68 % und der bei Ratgebern um 3,88 %.
Auch wissenschaftliche und wirtschaftliche Bücher erzielten insgesamt weniger Umsatz als im Vorjahr: Die Gruppe „Geisteswissenschaften, Kunst, Musik“ verzeichnete ein Minus von 5,27 %, „Naturwissenschaften, Medizin, Informatik, Technik“ von 5,75 %, „Sozialwissenschaften, Recht, Wirtschaft“ von 7,67 %. Das Schlusslicht: Die Gruppe „Reise“ mit einem Minus von 35,99 %.
Einzelne Bestseller deutlich besser als im Vorjahr
Der Trend der vergangenen Jahre zur Umsatzsteigerung im Kinder- und Jugendbuch setzte sich auch 2020 fast ungebrochen fort. „Die Anzahl der verkauften Bücher ist um 4 % gestiegen“, erklärt Ulucan von media control. „Berücksichtigt man die Preissteigerung von fast 3 % (€ 10,11 Durchschnittspreis 2019, € 10,41 im Jahr 2020), ergibt sich ein Umsatzplus von 2,9 % für die Warengruppe Kinder- und Jugendbuch.“
Im Segment Sachbuch gab es laut Ulucan eine relativ hohe Preissteigerung von 4,6 %. „Vor allem Bücher zum Thema Corona, aber auch die Autobiografie von Barack Obama, ‚Ein verheißenes Land‘, mit einem Verkaufspreis von € 43,20 haben den Umsatz hier positiv beeinflusst.“ Auffällig ist die Konzentration auf Spitzentitel. „Das meistverkaufte Sachbuch 2020 hat um 52 % mehr umgesetzt als jenes im Vorjahr.“
„Für die Reisebranche war 2020 ein extrem schweres Jahr, und folglich auch für Reiseverlage und -bücher“, sagt Ulucan. Hier kam es zu einem Umsatzrückgang von 36 % zum Vorjahr. Mit einer Ausnahme: „Die Unterwarengruppe ,Sport und Aktivreisen‘ hat mit einem Plus von 15,6 % abgeschlossen. Dies konnte jedoch das Minus der größten Unterwarengruppe ,Reiseführer‘ nicht wettmachen.“
Die Bücher wurden im Jahr 2020 teurer
Der Umsatzrückgang traf alle Editionsformen. Am stabilsten erwies sich „Hardcover, Softcover“ mit –3,42 %, gefolgt vom Taschenbuch mit –5,81 % und von Kalendern mit –12,30 %. Der Umsatz bei „Hörbuch, Audiobook“ entwickelte sich auch in diesem Jahr zurück, und zwar um 14,83 %. Am schwersten war „Karten und Globen“ mit einem Umsatzrückgang von 19,47 % im Vergleich zum Vorjahr betroffen. Das E-Bookgeschäft konnte mit 3,5% (2019: 3%) des Gesamtumsatzes seinen Anteil leicht steigern.
Sieht man von „Hörbuch, Audiobook“ ab (ein Preisverfall von 6,36 %), stiegen die Preise in allen Editionsformen zwischen +0,89 % („Karten, Globen“) und +2,06% („Hardcover, Softcover“). Ein Trend, der sich auch bei den Warengruppen zeigt: In allen Sparten wurden die Preise von Büchern erhöht, im Schnitt um 2 %. Im Jahr 2019 lag der Schnitt noch bei einem Plus von 0,8 %. Am stärksten veränderten sich die Preise bei Sachbüchern, im Schnitt um +4,56 %, gefolgt von Reise (+4,40 %). Relativ gleich blieben die Preise bei „Sozialwissenschaften, Recht, Wirtschaft“ mit +0,25 %. Die Buchpreise werden zwar von Verlagen festgelegt, doch fordern bereits seit einigen Jahren die Buchhändler*innen höhere Preise, um erhöhte Personal- und Mietkosten tragen zu können.
Die Bestseller: Österreichische Romane, Memoiren und Backbücher
2020 kamen die drei bestverkauften Romane aus Österreich: Der Kabarettist und Autor Thomas Stipsits belegte mit seiner „Uhudler-Verschwörung“ rund um den toten Uhudler-Bauer Alois Stipsits Platz eins und mit seinem Vorgängertitel „Kopftuchmafia“ (beide Ueberreuter) Platz drei der Liste. Der Musiker Hubert Achleitner erreichte mit seinem Debütroman „flüchtig“ (Zsolnay) den zweiten Platz in der Belletristik.
Die Sachbuch-Bestsellerliste wurde von „Und erlöse uns von den Blöden“ von Monika Gruber und Andreas Hock (Piper) angeführt. Platz zwei erreichte Barack Obama mit „Ein verheißenes Land“ (Penguin), obwohl das Buch erst Mitte November auf den Markt kam. Dritter wurde ein Longseller: „Eine kurze Geschichte der Menschheit“ (Pantheon) von Yuval Noah Harari. Bewährtes setzte sich 2020 auch bei den Ratgebern durch: Christina Bauer belegte mit „Backen mit Christina“ und „Brot backen mit Christina“ (beide Löwenzahn) die ersten beiden Plätze. Der dritte Platz ging an Stefanie Stahl für „Das Kind in dir muss Heimat finden“ (Kailash).
Hat sich die Buchbranche in der Pandemie bewährt?
Schon im ersten Lockdown 2020 begannen viele Buchhandlungen, sich online besser aufzustellen. In der Folge kam es zu einem intensiven Ausbau des Vertriebskanals E-Commerce – auch aufgrund der großen Nachfrage. Diese Entwicklung schlug sich laut Deniz Ulucan im Umsatz nieder: „Der Onlinehandel ist um mehr als 10% gewachsen.“ Abschließend stellt er der heimischen Buchbranche ein gutes Zeugnis aus: „Trotz der Unsicherheiten hat sich die Buchbranche in diesem Jahr bewährt. Sie konnte mit viel Überzeugungskraft und Willen die Konsument*innen durch Abholstationen, Lieferungen oder andere kreative Ideen fast durchgehend mit Büchern versorgen.“
Die Jahresbestseller 2020 finden Sie hier.
Nach dem Artikel „Trendwende zum Positiven“ (Text: Teresa Preis / Infografik: Georg Feierfeil), erschienen im HVB-Branchenmagazin anzeiger 1/2020. Als HVB-Mitglied ist die Gesamtausgabe des aktuellen anzeigers unter diesem Link einsehbar.
4.2.2021