Interview mit Michael Steinbach

Michael Steinbach, Vorsitzender des Verbandes der Antiquare Österreichs, im Gespräch zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie im Antiquariatsbuchhandel.


Herr Steinbach, wir wollen die ruhigeren Sommermonate nutzen, um uns bei Ihnen zum Befinden des Antiquariatsbuchhandels nach den vergangenen Krisenmonaten zu erkundigen. Wie haben Sie und Ihre Kollegen im Verband der Antiquare Österreichs die Corona-Pandemie erlebt?

Es war sehr unterschiedlich. Kollegen mit einem Ladenantiquariat waren natürlich mehr betroffen, als die Kollegen die ihr Geschäft nur nach Voranmeldung betreiben. Viele Kollegen haben versucht, durch einen verstärkten Online-Auftritt bzw. durch Direktangebote, den Ausfall zu kompensieren. Was allerdings noch gravierender war für das Antiquariat, war der Lockdown der öffentlichen Bibliotheken im In- und Ausland, der in manchen Ländern bis jetzt andauert. Auch stellen einige meiner Kollegen auf verschiedenen internationalen Antiquariatsmessen aus, die in diesem Jahr von Paris über London, Brüssel, Amsterdam oder Zürich ausgefallen sind und damit einen Umsatzeinbruch bedeuteten. Wann die internationalen Messen wieder starten ist momentan noch ungewiss und trägt bei einigen Händlern zur Verunsicherung bei auch wenn alle Kollegen die Absagen der Veranstalter verstehen können.
Was alle während dieser Zeit, egal ob mit oder ohne Laden, sehr vermissten war der persönliche Kontakt zu den Kunden, der gerade bei alten Büchern essentiell ist.

Welche Rolle spielt der Onlinehandel im Antiquariatsgeschäft? Welche Perspektiven können Sie erkennen?

Der Online-Handel hat auch in den Vor-Corona-Zeiten eine immer wichtigere Rolle gespielt und hat jetzt durch den Lockdown noch an Bedeutung gewonnen. Mehrere Kunden, die man sonst persönlich begrüßen durfte, haben jetzt auf des Internet zurückgegriffen. So lange es nicht möglich ist Messen durchzuführen, wird der Onlinehandel noch wichtiger werden. Es ist zu bedauern, dass der persönliche Kontakt zu den Kunden, dadurch aber noch mehr in den Hintergrund gedrängt wird.

Hat die Senkung der Mehrwertsteuer einen merkbaren Effekt im Antiquariatsgeschäft hinterlassen?

Die Reduzierung der Mehrwertsteuer hat bis jetzt noch keinen merkbaren Effekt gezeigt. Das liegt aber auch daran, dass jetzt Urlaubs-Session ist, viele Geschäfte geschlossen sind, auch die Kunden verreist sind und coronabedingt nicht so viele Touristen ins Land kommen.

Der Verband bereitet auch in diesem Jahr wieder einen Gemeinschaftsauftritt auf der BUCH WIEN vor. Was erwartet die Buchliebhaber im November?

Seit 2015 nehmen Antiquare, Mitglieder des Verbandes de Antiquare Österreichs, mit einem großen Gemeinschaftsstand an der BUCH WIEN teil. Auch in diesem Jahr werden die Antiquare wieder einen Gemeinschaftsstand auf der BUCH WIEN bespielen. Diesmal sind 12 namhafte Aussteller aus Wien und Umgebung, sowie aus Graz dabei, um ihre Schätze vor dem Publikum auszubreiten. Nicht nur antiquarische Bücher von den Anfängen der Druckkunst im 15. Jahrhundert bis zur Gegenwart werden angeboten, sondern auch eine Vielzahl von Landkarten und Ansichten, Autographen, Kuriosa und Künstlergraphik. Zusätzlich bieten die Aussteller den gewohnten Service der kostenlosen Beratung und Beurteilung von ‚privaten Schätzen‘ aus dem Bereich des Antiquariats.
Selbstverständlich wird die Messe unter strengen Sicherheitsvorkehrungen stattfinden; ein entsprechendes Konzept wird zur Zeit ausgearbeitet, um allen behördlichen Vorschriften Genüge zu tun.

Geben Sie uns doch bitte noch ein paar Tipps zu bibliophilen Ausflugsmöglichkeitenin diesem Sommer ohne ein Flugzeug besteigen zu müssen?

Wien und Umgebung, aber auch die Bundesländer, sind reich an Museen. Nicht nur die Nationalbibliothek, die Albertina oder das Belvedere sind einen Besuch wert, sondern es gibt auch viele kleine, skurrile Museen in Wien, wie das Schuh-, Hut-, Ziegel- oder Condomi-Museum. Wenn man etwas weiter gehen möchte; das Stift Melk oder Stift Admont beherbergen wunderbare Bibliotheken von Weltrang. Die Beethoven-Ausstellung anlässlich des 250. Geburtstags des Komponisten in der Nationalbibliothek steht diesen Sommer noch auf meinem Programm.

Herr Steinbach, wir danken Ihnen herzlich für das Gespräch.

Weiterführende Links:

Verzeichnis aller Mitglieder des Verband der Antiquare Österreichs
Buch Wien mit einem Gemeinschaftsstand der Antiquare Österreichs vom 11.-15. November 2020 in Halle D
Bibliothek des Benediktinerstift Admont: Weltgrößte Klosterbibliothek
Bibliothek des Stift Melk: Präsentation von über 16,000 Bänden im Kleinen Saal; ca. 1800 Handschriften und 750 Inkunabeln im Gesamtbestand
Sonderausstellung im Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek: “Beethoven – Menschenwelt und Götterfunken” noch bis zum 10. Jänner 2021

Interview: Angelika Elstner

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