anzeiger 2/2022 – Buchhändlerinnen empfehlen starke Kinder- und Jugendliteratur für den Frühling

Die Buchhändlerinnen Gerlinde Tamerl von der Wagner’sche Universitätsbuchhandlung und Ana Rodrigues von der Haymon Buchhandlung in Innsbruck empfehlen aktuelle Titel zum Themenschwerpunkt Kinder- und Jugendliteratur im Frühling.

Text: Lisa Schöttel

Geschichten über feministische Rotkäppchen und abenteuerlustige Prinzessinnen
Gerlinde Tamerl
von der Wagner’sche Universitätsbuchhandlung

Die Wagner’sche Buchhandlung in Innsbruck ist auch ein Treffpunkt für junge Bücherfans. Während die Eltern in Ruhe einen Kaffee genießen, schmökern bibliophile Abenteurer*innen in Ruhe in der Kinder- und Jugendbuchabteilung. Bei der Auswahl der Bücher legt das junge Team rund um Buchhändlerin Maria Neumayr großen Wert auf „Diversity“ und „Female Empowerment“. „Es ist wichtig, Kinder schon früh mit vielfältigen Lebens- und Familienmodellen vertraut zu machen und so ihr Verständnis für eine diverse Gesellschaft zu stärken”, ist auch die stellvertretende Geschäftsführerin Gerlinde Tamerl überzeugt.

„Kinder lieben Märchen, doch leider werden darin oft althergebrachte Geschlechterrollen weiter tradiert“, sagt Tamerl. Daher sei es sehr erfreulich, dass im Frühling etwa im Leykam Verlag ein Remake des Märchens „Rotkäppchen rettet den Wolf“ aus der Feder von Petra Piuk und liebevoll illustriert von Gemma Palacio erscheint, oder dass in „Märchenland für alle“, herausgegeben von Boldizsár Nagy und illustriert von Lilla Bölecz (Dorling Kindersley Verlag), mit heteronormativen Lebensvorstellungen gebrochen wird. Hier verliebt sich der Prinz in einen anderen Prinzen, und die Königstochter erlebt lieber neue Abenteuer, als zu heiraten. Eine gute Portion „Female Empowerment“ verpasst Petra Piuk dem klassischen Märchen „Rotkäppchen“. Die Neuerzählung lässt das kleine Rotkäppchen nicht als „armes Hascherl“, sondern als meinungsstarke Persönlichkeit auftreten, die sich für Naturschutz einsetzt und nebenbei noch den Wolf rettet.

Neben Feminismus und Diversität ist Natur und Umweltschutz ein führendes Thema in diesem Bücherfrühling. „Viele Kinder lieben es, der Natur nahe zu sein und unterschiedliche Tiere und Pflanzen kennenzulernen”, sagt Gerlinde Tamerl. Bücher können den Kindern auf anschauliche Art die Vielfältigkeit unserer Natur vermitteln und damit den Respekt vor der Umwelt fördern. Nachhaltig produzierte Pappkinderbücher, wie „Meine Gartenfreunde. Die kleine Biene”, bringt zum Beispiel der Oetinger Verlag auf den Markt. Und in „10 Ideen mit denen du die Umwelt schützen kannst“ (White Star Verlag) präsentieren die Autorin Eleonora Fornasari und die Illustratorin Clarissa Corradin nachhaltige Aktionen, in denen sich Kinder zu Hause, in der Schule oder in ihrem Heimatort engagieren und nach und nach große Veränderungen bewirken können.

Die Neuerscheinungen in der Kinderliteratur bewegen sich also jenseits von Bilderbuchklischees. In der Wagner’schen Buchhandlung in Innsbruck ist für abenteuerlustige Prinzen und Prinzessinnen sowie für und junge Aktivist*innen genug Lesestoff vorhanden.

Vom Mut, anders zu sein – starke Kinder- und Jugendliteratur für den Frühling
Ana Rodrigues
von der Haymon Buchhandlung

In der Haymon Buchhandlung in Innsbruck fühlen sich Bücher und Leser*innen gleichermaßen zu Hause. Umgeben von Regalen in schlichtem schwarzem Design kann die Kundschaft Kaffee schlürfend das erlesene Sortiment erkunden. Für Letzteres sind Benjamin Girstmair und sein Team verantwortlich. „Uns ist eine gute Mischung aus lokalen und internationalen Autor*innen wichtig“, so die Buchhändlerin Ana Rodrigues. Für die jungen Leseratten gibt es eine kleine Abteilung mit einer exklusiven Auswahl an Kinder- und Jugendbüchern. „Die Titel suchen wir uns als kleine Buchhandlung genau aus“, erklärt Rodrigues.

Ganz besonders freut sie sich über die Neuauflage des Kinderbuchklassikers „Der Clown sagte nein“. Anlässlich des 60. Jahrestages des NordSüd Verlags wurde die Geschichte rund um einen Clown, der gemeinsam mit den Tieren den Zirkus verlässt, um seinen Traum vom eigenen Zirkus zu verwirklichen, von Torben Kuhlmann neu illustriert. „Das Buch hat nichts an Aktualität eingebüßt“, meint die Buchhändlerin. Die Botschaft, nämlich dass Tiere keine Projekte, sondern Lebewesen sind, wird den Kindern auf spannende Weise vermittelt. Eine weitere Empfehlung der Buchhändlerin ist das neue Kinderbuch „Du bist wichtig“ (cbj Verlag) von Christian Robinson, der darin die Selbstakzeptanz in den Mittelpunkt stellt. Rodrigues sagt: „Ein liebevoll illustriertes Kinderbuch, das folgende Botschaft leicht und unangestrengt vermittelt: Egal, wo du geboren, ob du der oder die Schnellste, Jüngste bist – jede*r ist wertvoll und wichtig.“

Vergleichsweise wenige Kinder- und Jugendbücher würden das wichtige Thema Flucht aufgreifen. Vor zwei Jahren habe Chris Naylor-Ballesteros mit „Der Koffer“ (Fischer Verlag) als einer der ersten Flucht und Begegnungen mit dem Fremden einfach und einfühlsam thematisiert. Im vergangenen September erschien „Das Krokodil sucht eine neue Heimat“ (Carl-Auer Verlag). Darin erzählt der Autor Yoeri Slegers die Geschichte des Krokodils, das aus seiner Heimat fliehen und sich in eine unbekannte Zukunft aufmachen muss. „Die kurzen, kindgerechten Texte werden durch eindringliche Illustrationen unterstützt, die die Not des Flüchtenden deutlich machen“, erklärt Rodrigues. Erst als das Krokodil von den Mäusen aufgenommen wird, werden auch die Bildfarben wieder heller.

Geschichten über Rassismus und Ausgrenzung bestimmen die Themen bei den Jugendromanen. Die österreichische Autorin Julya Rabinowitsch hat dazu einen neuen Roman geschrieben. In „Dazwischen: Wir“ (Hanser) erzählt sie, wie Madina gegen rassistische Schmierereien kämpft und so langsam einen Platz in ihrer neuen Heimat findet. „Ein sehr bewegendes Buch“, meint Rodrigues, „das gegen die Ausgrenzung in der Gesellschaft appelliert“. Ausgrenzung geschehe auch beim Thema Geschlechteridentitäten. „Unter den Jugendromanen finden sich eine ganze Reihe an LGBTQ+ Büchern“, so die Kinder- und Jugendbuchexpertin. „Felix ever after“ (LYX) ist ein solcher Jugendliebesroman. Der Protagonist Felix Love ist Schwarz, queer und trans. Demensprechend viele Fragen hat er an seine Identität. Als er transfeindliche Instagram-Nachrichten bekommt, wird es für ihn Zeit zu handeln und sich gegen die Hetze zu wehren. Rodrigues: „Ein sehr bedacht und witzig geschriebenes Buch, das Mut macht, außerhalb der Norm zu leben“.

 

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