Der vom Bundesministerium für Wohnen, Kunst, Kultur, Medien und Sport vergebene Preis geht dieses Jahr an den ukrainischen Schriftsteller Serhij Zhadan. Er setzt sich in seiner Literatur eindringlich mit den gesellschaftlichen und individuellen Auswirkungen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine auseinander. Zuletzt erschien bei Suhrkamp sein Erzählband „Keiner wird um etwas bitten“, der im Juni zum Ö1 Buch des Monats gekürt wurde.
Die fünfköpfige Jury für den Preis 2025 bestand aus Dr. Alexander Potyka, Raphaela Edelbauer, Univ. Prof. Dr. Klaus Kastberger, Klaus Seufer-Wasserthal und Mag.a Anne-Catherine Simon.
Jurybegründung
„Serhij Zhadan entwickelt seine faszinierend-kunstvollen und dabei immer auch hochgradig lebendigen und vielstimmigen literarischen Räume vor geschichtlich klar erkennbaren Hintergründen. Die russische Annexion der Krim und anderer Gebiete der Ostukraine dominiert den Roman „Internat“ (dt. 2018). Hier wird ein Krieg ohne Kriegserklärung geschildert, die Auswirkungen auf das alltägliche Leben der Menschen sind desaströs. Mit dem Großangriff Russlands auf die Ukraine vom 24. Februar 2022 hat sich das Leben und das Schreiben des Autors radikal verändert. Zhadan trat mit seiner Rockband zur Unterstützung der ukrainischen Bevölkerung und seiner Armee an versteckten Orten auf und stellte sich selbst als Helfer hinter der Front dem Abwehrkampf zur Verfügung. In Form eines imaginären Tagebuchs hält er in dem Band „Himmel über Charkiw“ (2022) seine damaligen Notizen und Aufzeichnungen fest, die etwa auch die Form von Social-Media-Postings angenommen hatten. Auch diese Literatur einer unmittelbaren und unverstellten Zeugenschaft hat im Westen großen Eindruck gemacht. Mitte des Jahres 2024 ist Zhadan dann selbst in ein Freiwilligen-Bataillon der ukrainischen Nationalgarde eingetreten und nimmt seither direkt am Kampf gegen die russischen Angreifer teil. Erst vor wenigen Monaten hat der Autor im Suhrkamp-Verlag, in dem sein literarisches Werk in deutscher Übersetzung erscheint, einen Gedichtband vorgelegt, der den Einschnitt vom 24. Februar 2022 als eine klaffende Wunde in der lyrischen Sprache zeigt. Es ist ein Zeichen der Hoffnung und das Merkmal eines erfolgreichen Widerstandes, dass der der Ukraine aufgezwungene Krieg hier die Stimme der Literatur aus den Angeln gehoben, aber letztlich doch nicht zum Schweigen gebracht hat.“
Über Serhij Zhadan
Serhij Zhadan, 1974 im Gebiet Luhansk/Ostukraine geboren, studierte Germanistik, promovierte über den ukrainischen Futurismus und gehört seit 1991 zu den prägenden Figuren der jungen Szene in Charkiw. Er debütierte als 17-Jähriger und publizierte zwölf Gedichtbände und sieben Prosawerke. Für „Die Erfindung des Jazz im Donbass“ wurde er mit dem Jan-Michalski-Literaturpreis und mit dem Brücke-Berlin-Preis 2014 ausgezeichnet (zusammen mit Juri Durkot und Sabine Stöhr). Die BBC kürte das Werk zum „Buch des Jahrzehnts“. 2022 erhielt er den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Zhadan lebt in Charkiw und ist seit Mai 2024 Soldat.
Zuletzt in deutscher Übersetzung erschienen:
„Keiner wird um etwas bitten“, Suhrkamp 2025. Aus dem Ukrainischen von Sabine Stöhr und Juri Durkot, „Chronik des eigenen Atems“, Suhrkamp 2024. Aus dem Ukrainischen von Claudia Dathe, „Internat“, Suhrkamp Verlag 2023. Aus dem Ukrainischen von Juri Durkot und Sabine Stöhr, „Himmel über Charkiw“, Suhrkamp 2022. Aus dem Ukrainischen von Sabine Stöhr, Juri Durkot und Claudia Dathe, „Die Erfindung des Jazz im Donbass“, Suhrkamp 2022. Aus dem Ukrainischen von Juri Durkot und Sabine Stöhr. „Feuerpause“, das erste Theaterstück von Serhij Zhadan in deutscher Übersetzung, wird am 29. September 2025 in der Reihe Suhrkamp Theater veröffentlicht.