Am Dienstag, den 2. Juli wurde der internationale Hermann-Hesse-Preis 2024 der Hermann-Hesse-Stiftung Calw an Sofia Andruchowytsch und ihre Übersetzer:innen Alexander Kratochvil und Maria Weissenböck für „Die Geschichte von Romana“ und „Die Geschichte von Uljana“ – beide im Residenz Verlag erschienen – verliehen. Beide Bände sind Teil des „Amadoka-Epos“, dessen dritter Teil „Die Geschichte der Sofia“ im Oktober 2024 in der deutschen Übersetzung ebenfalls beim Residenz Verlag erscheint.
„Das ‚Amadoka-Epos‘ ist nach ‚Der Papierjunge‘ (im ukrainischen Original ‚Felix Austria‘, 2014, dt. 2016), der Anfang des 19. Jahrhunderts in Galizien spielt, Sofia Andruchowytschs zweiter ins Deutsche übersetzter Roman. Beide Bücher zeugen von der Sprachkraft, Erfindungsgabe und Ambition der 42-jährigen Autorin. Damit knüpft Geschichte(n)erzählen an eine starke mitteleuropäische Erzähltradition an, wie man sie von meist männlichen Autoren kennt, dem Tschechen Milan Kundera etwa oder dem Slowenen Drago Jančar.
Dem Übersetzer-Team Alexander Kratochvil und Maria Weissenböck gelingt es, das sehr differenzierte Sprachregister des ‚Amadoka-Epos‘ virtuos ins Deutsche zu übertragen. Die historischen Stimmen und Tonlagen aus 100 Jahren treffen sie ebenso wie die unterschiedlichen Erzählkonstruktionen, die lässig oder unzuverlässig sind, schlicht oder raffiniert, gebannt von den historischen Gräueln und stark in der Suche nach dem eigenen Glück. Sowohl Kratochvil als auch Weissenböck sind seit Jahren prominente Vermittler:innen ukrainischer Literatur für eine deutschsprachige Leserschaft.“ (Auszug aus der Jury-Begründung)
Sofia Andruchowytsch wurde 1982 in Iwano-Frankiwsk, Ukraine geboren. Sie lebt in Kiew als Schriftstellerin, Übersetzerin und Essayistin. 2014 gelang ihr der literarische Durchbruch mit dem Roman „Der Papierjunge“, der in mehrere Sprachen übersetzt sowie verfilmt wurde und 2016 im Residenz Verlag erschienen ist.
Maria Weissenböck, geboren in Wien, studierte Angewandte Sprachwissenschaften in der Fächerkombination Russisch/Ukrainisch/Deutsch. Sie übersetzt aus dem Ukrainischen und dem Belarussischen, u. a. Werke von Taras Prochasko, Tanja Maljartschuk und Volja Hapeyeva. 2004 wurde sie mit dem Übersetzerpreis der Stadt Wien für die Übersetzung von Jurij Wynnytschuks „Die Einhornjagd“ ausgezeichnet.
Alexander Kratochvil geboren in München, Studium der Slawistik, Osteuropageschichte und Germanistik. Übersetzungen aus dem Ukrainischen und Tschechischen, u. a. Werke von Oksana Sabuschko, Jurij Wynnytschuk, Oleksandr Irwanez, Pavel Šrut. Er verfasste eigene Bücher zur ukrainischen und tschechischen Literatur, u.a. Trauma-Literatur-Gedächtnis (Berlin 2019). Weiters arbeitete und lehrte er an verschiedenen Hochschulen und ist seit 2022 wissenschaftlicher Mitarbeiter für ukrainische und tschechische Literatur am Lehrstuhl für Slawische Philologie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München.
Der mit 15.000 Euro dotierte Preis der Calwer Hermann-Hesse-Stiftung wird alle zwei Jahre vergeben und gilt als einer der wichtigsten Preise für Übersetzer:innen. Laut Statut wird er vergeben an ein „Werk im Geiste Hermann Hesses von internationalem Rang. Dies kann eine schriftstellerische Leistung in Verbindung mit ihrer Übersetzung sein, eine originär schriftstellerische Leistung oder eine übersetzerische Leistung.“
Die Jury setzte sich in diesem Jahr aus Prof. Dr. Maria Ivanytska, Kateryna Mishchenko, Dr. Jörg Plath, Prof. Dr. Schamma Schahadat und Ulrike Almut Sandig zusammen.