Im September 2024 steht Arno Geiger mit „Reise nach Laredo“ (Hanser) auf Platz 1 der ORF-Bestenliste. Barbara Zeman kommt mit „Beteigeuze“ (dtv) auf den 2. Platz und Gerhard Roth hält sich mit „Jenseitsreise“ (S. Fischer) auf dem 3. Platz.
Platz 1: Arno Geiger „Reise nach Laredo“, Hanser
Der Vorarlberger Erfolgsautor Arno Geiger hat einen neuen Roman veröffentlicht: „Reise nach Laredo“ heißt das Buch und es spielt im Spanien des 16. Jahrhunderts. Die Hauptfigur: der Habsburger Karl der V., der als Kaiser des Heiligen römischen Reichs und König von Spanien als erster Weltherrscher der Geschichte gilt. Nicht zufällig stammt das berühmte Zitat „In meinem Reich geht die Sonne nicht unter“ aus seinem Munde: Mit Kolonien in Lateinamerika und Asien erstreckte sich sein Hoheitsgebiet tatsächlich über den gesamten Globus. Doch im Jahr 1556, von der Gicht geplagt und zermürbt von den Religionskämpfen mit Luther, trat Karl der V. zurück. Diesem Leben nach dem Rücktritt widmet sich Arno Geiger in seinem Roman. Schauplatz: das Kloster Yuste, Karls Rückzugsort bis zu seinem Tod 1558. Vielmehr als um die Geschichte Karl des V. geht es Geiger um die Frage: Wer ist man selbst, abseits der Arbeit, des gewohnten Alltags? Bei der Ausgestaltung des Stoffs nimmt sich Geiger viele Freiheiten: Er schickt seinen Karl auf eine Reise durch die spanische Extremadura. Das Buch ist eine Art fiebertraumhafter Selbstfindungsroadtrip.
Platz 2: Barbara Zeman „Beteigeuze“, dtv
Barbara Zeman hat mit ihrem Debütroman „Immerjahn“ 2019 für Aufsehen gesorgt, denn im deutschsprachigen Feuilleton ist die 1981 in Eisenstadt geborene Schriftstellerin dafür in den höchsten Tönen gelobt worden. Für ihren neuen Roman hat sich Zeman mit dem Nachthimmel beschäftigt, allen voran mit einem bestimmten Stern: Beteigeuze, ein sogenannter Roter Riese im Sternbild des Orion. Die Heldin in Zemans gleichnamigen Roman hat eine geradezu manische Faszination für diesen Beteigeuze. Sie bildet sich ein, so etwas wie der menschliche Zwilling dieses Sterns zu sein und träumt davon, sich zu ihm ins All hinauf zu schaukeln. Zwischen den Zeilen wird dabei deutlich, dass diese Obsession das Symptom einer psychotischen Episode ist. Jenseits der Sternenhimmelromantik hat Zeman mit diesem Roman die Chronik eines menschlichen Zusammenbruchs aufgeschrieben, und das mit rührender Zärtlichkeit und großer sprachlicher Magie.
Platz 3: Gerhard Roth: „Jenseitsreise“, S. Fischer
„Jenseitsreise“ – so heißt jenes Buch, an dem der österreichische Schriftsteller Gerhard Roth bis zu seinem Tod im Jahr 2022 gearbeitet hat. Jetzt ist sein letzter unvollendeter Roman auf über 360 Seiten erschienen. Darin schickt Roth sein Alter Ego ins Totenreich. „Immer schon wollte ich ein Buch schreiben, das niemand versteht“, steht am Beginn von Gerhard Roths letztem Werk. Das Rätselhafte, das Unglück und psychische Grenzerfahrungen beschäftigten den Vielschreiber Roth in seinem mehrere tausend Seiten umfassenden Textkonvolut immer wieder – so auch in der „Jenseitsreise“. „Ich bin überzeugt, dass man ins Nichts eingeht, dass man wie ein Tropfen im Meer vergeht. Ich glaube, dass das, was man „religiös“ nennt, mit dem Leben verbunden ist. Das heißt, wenn ich in die Landschaft schaue, empfinde ich religiöse Gefühle“, sagte Roth selbst über seine eigenen Vorstellungen eines Lebens nach dem Tod. In seinem Roman hingegen ist dieses Jenseits symbolisch ausformuliert: Der Ich-Erzähler tritt seine letzte Reise an. Nach seinem Tod findet er sich im ägyptischen Schattenreich wieder. Sprechende Tiere und berühmte Dichter und Denker kreuzen seinen Weg. In vier handschriftlich verfassten Notizbüchern hat Gerhard Roth ein Romanfragment hinterlassen, das ihn posthum einmal mehr als kunstvollen Erzähler und Schöpfer phantasievoller Welten ausweist.
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