Im Oktober 2024 liegt Barbara Zeman mit „Beteigeuze“ (dtv) auf Platz 1 der ORF-Bestenliste. Mircea Cărtărescu steigt mit „Theodoros“ (Zsolnay) auf Platz 2 ein und Reinhard Kaiser-Mühlecker kommt mit „Brennende Felder“ (S. Fischer) auf den 3. Platz.
Platz 1: Barbara Zeman „Beteigeuze“, dtv
Barbara Zeman hat mit ihrem Debütroman „Immerjahn“ 2019 für Aufsehen gesorgt, denn im deutschsprachigen Feuilleton ist die 1981 in Eisenstadt geborene Schriftstellerin dafür in den höchsten Tönen gelobt worden. Für ihren neuen Roman hat sich Zeman mit dem Nachthimmel beschäftigt, allen voran mit einem bestimmten Stern: Beteigeuze, ein sogenannter Roter Riese im Sternbild des Orion. Die Heldin in Zemans gleichnamigen Roman hat eine geradezu manische Faszination für diesen Beteigeuze. Sie bildet sich ein, so etwas wie der menschliche Zwilling dieses Sterns zu sein und träumt davon, sich zu ihm ins All hinauf zu schaukeln. Zwischen den Zeilen wird dabei deutlich, dass diese Obsession das Symptom einer psychotischen Episode ist. Jenseits der Sternenhimmelromantik hat Zeman mit diesem Roman die Chronik eines menschlichen Zusammenbruchs aufgeschrieben, und das mit rührender Zärtlichkeit und großer sprachlicher Magie.
Platz 2: Mircea Cărtărescu „Theodoros“, Zsolnay
Übersetzung: Ernest Wichner
Der rumänische Schriftsteller Mircea Cărtărescu zählt seit Jahren zu den großen Favoriten auf den Literaturnobelpreis. Der Autor ist unter dem grausamen Regime Nicolae Ceaușescus aufgewachsen, was tiefe Spuren in seiner Literatur hinterlassen hat. Diese zeichnet sich durch eine düstere, bedrückende Atmosphäre aus, die zwischen (Alp)traum und Wirklichkeit changiert und mit surrealen, phantastischen Elementen gespickt ist, weswegen Cărtărescu oft mit Vertretern des Magischen Realismus wie Borges und García Márquez verglichen wird. Während seine Monumentalromane „Solenoid“ und die „Orbitor-Trilogie“ im kommunistischen Bukarest spielen, wagt sich Cărtărescu in „Theodoros“ in neue Erzähllandschaften und Zeitebenen. Durch literarische Wurmlöcher verschmelzt er das Donaufürstentum der Walachei, den griechische Archipel, das Äthiopien des 19. Jahrhunderts, das britische Empire Königin Victorias mit dem biblischen Juda und dem sagenhaften Abessinien der Königin Saba. Und mittendrin: Theodoros, der auch Tudor, und auch Thewodoros heißt. Geboren in der Walachei als Sohn eines Bojarendieners und einer Griechin, bricht dieser auf in die große weite Welt, schließt sich zuerst Räubern, dann Piraten an und verschreibt sein Leben fortan der Suche nach der heiligen Bundeslade, um sich schließlich zum Kaiser Äthiopiens zu krönen. „Theodoros“ ist ein monumentaler Roman zwischen Mythos und Historie, der einen so ehrfurchtsvoll zurücklässt wie ein seltenes Naturereignis.
Platz 3: Reinhard Kaiser-Mühlecker: „Brennende Felder“, S. Fischer
Reinhard Kaiser-Mühlecker ist ein vom Feuilleton viel beachteter Autor – und Bauer. In Oberösterreich führt er die Landwirtschaft seiner Eltern fort. Fernab von Hochglanzromantik und Heimatliebe bildet auch das bäuerliche Milieu die Kulisse seiner Bücher. Sein neuer, mittlerweile neunter Roman trägt den Titel „Brennende Felder“. Im Zentrum steht eine weibliche Hauptfigur, die voller Widersprüche ist. Sie verliebt sich in ihren Stiefvater, verlässt ihre Heimat, und kommt nach mehreren gescheiterten Beziehungen doch wieder hierher zurück – ohne Frieden zu finden. Mit großer Erzählkunst vermag es der 1982 geborene Autor die Spannung zu halten, vieles bleibt unausgesprochen, nichts ist eindeutig. Worte finden, wo es keine Sprache gibt: das ist das Ansinnen Kaiser-Mühleckers. Peter Handke hat den Schriftsteller einmal „einen Dritten zwischen Adalbert Stifter und Knut Hamsun“ genannt. Und tatsächlich beweist Reinhard Kaiser-Mühlecker in „Brennende Felder“ einmal mehr, dass es ihm gelingt, einen ganz eigenen Ton anzuschlagen.
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