Im Juni 2024 bleibt Karl-Markus Gauß mit „Schiff aus Stein“ (Zsolnay) auf Platz 1 der ORF-Bestenliste. Auf den 2. Platz steigt Abdulrazak Gurnah mit „Das versteinerte Herz“ (Penguin) ein. Max Höfler landet mit „Alles über alles – oder warum“ (Ritter) auf Platz 3.
Platz 1: Karl-Markus Gauß „Schiff aus Stein“, Zsolnay
Ein würdiges Leben, ohne den Blick in den Abgrund zu wagen, das ist nicht möglich – so lautet das Credo des in Salzburg lebenden Schriftstellers Karl-Markus Gauß. Er hat sich vor allem als scharfzüngiger Kommentator der Tagespolitik und als bis an die Ränder Europas reisender Autor einen Namen gemacht. Im Mai feiert Gauß seinen 70. Geburtstag, dem er ein neues Buch vorwegschickt: „Schiff aus Stein“. Darin widmet er sich vorwiegend den Schönheiten des Alltäglichen. Er durchquert entlegene Ortschaften, spürt vergangenen Träumen nach und erinnert sich an Zufallsbegegnungen. Von Kaffeehausszenen, U-Bahn-Begegnungen, Friedhofsträumen, und Erkundungen wenig bekannter Orte, etwa in der Obersteiermark oder entlang der Küste Dalmatiens erzählen die Miniaturen im Buch. Gauß’ Kunst besteht im Sichtbarmachen der oftmals unsichtbaren Besonderheiten des Lebens.
Platz 2: Abdulrazak Gurnah: Das versteinerte Herz, Penguin
Mit der Entscheidung für Abdulrazak Gurnah hat die Schwedische Akademie bei der Vergabe des Literaturnobelpreises 2021 für eine große Überraschung gesorgt. Insbesondere im deutschsprachigen Raum war der 1948 in Sansibar, einer Insel vor Tansania, geborene Schriftsteller nur einschlägigen Fachkreisen ein Begriff, die wenigen deutschen Übersetzungen seiner Bücher waren vergriffen. Das hat sich nun geändert: Der Penguin-Verlag hat sich mit großem Erfolg an die Erst- und Neuübersetzung seines Werks gemacht, auf Deutsch liegt nun der im Original 2017 erschienene Roman „Das versteinerte Herz“ vor. Die Handlung setzt zeitlich kurz nach der Unabhängigkeit seiner Heimat vom britischen Protektorat ein, die Gurnah als damals 15-Jähriger hautnah miterlebt hat. Chaos und Gewalt prägten diese Zeit: die von der Kolonialmacht gezogenen Grenzen waren alles andere als organisch gewachsen, sodass die von den britischen Herrschern unterdrückten Konflikte zwischen den dort lebenden Menschen sich danach umso heftiger entluden. Geschildert wird das Geschehen aus der Perspektive eines Teenagers, der – wie auch Abdulrazak Gurnah selbst – Angehöriger der muslimischen Minderheit im Land ist.
Platz 3: Max Höfler: Alles über alles – oder warum, Ritter
Aus der Grazer Kulturszene ist der Schriftsteller, Musiker und bildende Künstler Max Höfler nicht wegzudenken. Seit Jahren engagiert er sich in unterschiedlichsten städtischen Kulturprojekten, wie etwa dem Leinwandliteraturmagazin „Glory Hole“, das seit 2013 literarische Kurztexte auf die Fassade des Forum Stadtparks projiziert. Literarisch steht Höfler klar in der Tradition experimenteller Literatur, seine Texte zeichnen sich durch einen humorvollen Zugang zu diesem Genre aus. So auch sein neues Buch „ALLES ÜBER ALLES oder warum“, eine literarische Auseinandersetzung mit dem Kult-Brettspiel „Trivial Pursuit“. Zur Erinnerung: in dem Spiel geht es darum, Allgemeinwissen in den Kategorien Erdkunde, Unterhaltung, Geschichte, Kunst und Literatur, Wissenschaft und Technik, Sport und Vergnügen unter Beweis zu stellen. Inspiriert von den Fragekärtchen sucht Höfler insgesamt 200 eigene Antworten. In einer Tonlage, die zwischen Besserwisser und Wutbürger changiert, wird uns hier etwa erklärt, dass das menschliche Gehör nur Schwingungen bis zu einer Höhe von 20.000 Hertz wahrnehmen kann, damit man die boshaften Lästermäuler der Fledermäuse nicht vernimmt. Oder, dass Marylin Monroe nur deshalb Arthur Miller geheiratet hat, weil André Heller sie seinerzeit übel abblitzen ließ. Ein großer Lesespaß, der nicht nur dem absurden Witz, sondern vor allem den kunstvollen Satzkaskaden geschuldet ist, in die Höfler seine Antworten gegossen hat.
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