Im Februar 2025 klettert Wolf Haas mit „Wackelkonktakt“ (Hanser) auf Platz 1 der ORF-Bestenliste. „Halbe Leben“ (Zsolnay) von Susanne Gregor kommt auf den 2. Platz. Den 3. Platz erreicht Friederike Mayröcker mit „Gesammelte Gedichte 2004-2021“ (Suhrkamp).
Platz 1: Wolf Haas: „Wackelkontakt“, Hanser
Er ist wohl der bei Kritik wie Leserschaft beliebteste Krimi-Autor Österreichs – und weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt: Wolf Haas. Mit seinen Krimis rund um den Privatdetektiv Simon Brenner – einige davon wurden mit Josef Hader in der Paraderolle verfilmt – hat er sich Kultstatus erschrieben. Und das nicht in erster Linie der Inhalte wegen, sondern eines unnachahmlichen Sounds wegen, seiner Lust am Spiel mit Sprache wie Form. Mit „Wackelkontakt“ legt Haas nun wieder einen Krimi vor. Im Zentrum stehen diesmal zwei Hauptfiguren, die ein massives Fremdheitsgefühl der Welt gegenüber miteinander verbindet: Der eine ist Elektriker, Ex-Mafioso im Zeugenschutzprogramm, also unter falscher Identität lebend. Der andere Kunstpuzzleliebhaber und Trauerredenschreiber. Gleich am Anfang gibt es einen Toten, es wäre aber nicht Wolf Haas, wenn es ein konventioneller Krimi wäre. Es ist das Spiel mit den formalen Möglichkeiten der Literatur, das darin im Zentrum steht: Die Grundidee ist folgende: eine Romanfigur, die man dabei beobachtet, wie sie ein Buch liest: womit die zweite Erzählebene ins Spiel kommt. Man fängt an, ein Buch im Buch zu lesen. Dann schieben sich die unterschiedlichen Handlungsstränge und Realitäten zunehmend ineinander. Der postmoderne Trick vom Text im Text wird hier lustvoll auf die Spitze getrieben, Fakt und Fiktion durcheinandergewirbelt. Puzzle für Puzzle entwickelt sich ‚Wackelkontakt’ zu einer rasant-gewitzten Studie des menschlichen Bemühens, sich die Welt zu erklären und damit erträglicher zu machen – vergeblich, versteht sich.
Platz 2: Susanne Gregor: „Halbe Leben“, Zsolnay
Sie hat als Kind mit ihren Eltern die Slowakei im Jahr 1989 verlassen und ist nach Österreich gekommen. Heute zählt Susanne Gregor, neben Zdenka Becker, zu den prominentesten Vertreterinnen der österreichisch-slowakischen Literatur. Ausgehend von ihrer eigenen Migrationserfahrung setzt sich Gregor mit dem Fremdsein, dem Ankommen, dem Neuanfang auseinander. Das akribische Studium zwischenmenschlicher Beziehungen markiert das Herz ihrer Literatur: anhand von sorgfältig gestalteten Figurenkonstellationen gelingt es ihr, grundsätzliche Fragen des gesellschaftlichen Zusammenlebens zu verhandeln. In ihrem neuen Roman „Halbe Leben“ nimmt sich Susanne Gregor eines der dringlichsten Themen unserer Zeit an: der Pflege. Im Zentrum stehen zwei Frauen: Klara, die mit Job, Familie und der Pflege ihrer kranken Mutter fast auf ein Burnout zugerast wäre. Und Paulína, die von Klara als Pflegerin für ihre Mutter eingestellt wurde und so ihre Familie in der Slowakei ernährt. Das Verhältnis der beiden ist von Dankbarkeit und Anerkennung geprägt, gleichzeitig: von radikaler Ungleichheit. Ein ebenso berührender wie scharfsinniger Roman, der nicht auf ein Urteil, sondern einen Verständnisprozess abzielt.
Platz 3 : Friederike Mayröcker: „Gesammelte Gedichte 2004-2021“, Suhrkamp
Mindestens 120 Jahre alt wollte sie werden: die österreichische Schriftstellerin Friederike Mayröcker. Am 20.12. wäre die 2021 verstorbene Dichterin 100 Jahre alt geworden. Ihr Werk umfasst Tausende Seiten und zählt zum Eigensinnigsten und Gewichtigsten des 20. Jahrhunderts. Jetzt ist ein neues Buch erschienen, das ihre Gedichte der Jahre 2004-2021 zusammenfasst. Leben und Schreiben waren im Falle Mayröckers stets aufs Engste miteinander verwoben. Eine sehr grundlegende Rebellion prägt ihr Schreiben von Beginn an, das kommt auch in ihren Gedichten zum Ausdruck. An diesem soeben erschienenen Band kann man auch die besondere Gattung gut studieren, die Friederike Mayröcker ersonnen hat, in der Prosa, Lyrik und poetologische Reflexion verschmelzen. Auch ihre nicht zu bändigende Liebe zum Leben, an dem sie hing bis zuletzt, wird darin sichtbar. In einem der Gedichte ist zu lesen: „ich weidete in Poesie nämlich ich war nicht v. dieser Welt.“
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