Aus dem anzeiger.
In der Welt des Antiquariats gibt es viele spannende Geschichten zu erzählen – nicht nur über die Bücher, sondern auch über die Menschen, die hinter den einzigartigen Sammlungen stehen. Frauen sind in dieser Branche nach wie vor unterrepräsentiert. Deshalb holen wir drei engagierte Antiquarinnen aus unterschiedlichen Häusern vor den Vorhang.
Was als klassisches Praktikum begann, entwickelte sich für Theresa Dellinger vom Antiquariat Inlibris schnell zu einer Leidenschaft für die Arbeit mit historischen Buchbeständen und schließlich zu ihrer Profession. Im Interview erzählt sie, was sie besonders an ihrer Arbeit im Antiquariat schätzt – von der Vielfalt der zu katalogisierenden Werke bis hin zu den persönlichen Begegnungen mit Kolleg:innen. Dabei beleuchtet sie auch, welche neuen Impulse junge Antiquar:innen einbringen können.
Frau Dellinger, wie sind Sie zum Beruf der Antiquarin gekommen?
Ganz klassisch über ein Praktikum. Gegen Ende meines Studiums stand ich vor der Wahl, in der Wissenschaft zu bleiben und ein Doktorat im Fach Geschichte zu beginnen oder doch etwas ganz anderes zu machen. Beim Nachdenken, was dieses „Andere“ sein könnte, kam mir der Gedanke, es einmal in einem Antiquariat zu versuchen. Die Erfahrung, dass mir das Arbeiten mit historischen Buchbeständen Spaß macht, konnte ich schon ein paar Jahre früher während meiner Tätigkeit in der Stiftsbibliothek Klosterneuburg machen.
Was gefällt Ihnen besonders an der Arbeit im Antiquariat?
Die Vielfalt. Jeden Tag landet etwas anderes auf meinem Schreibtisch – sei es eine mittelalterliche Urkunde oder ein Reisebericht aus dem 19. Jahrhundert – es wird wirklich nie langweilig. Obendrein habe ich Gelegenheit, die Fremdsprachenkenntnisse, die ich schon während meiner Schulzeit erworben habe, anzuwenden und mich mit Themen zu beschäftigen, mit denen ich sonst nie in Berührung kommen würde.
Was würden Sie anderen Frauen raten, die sich für das Antiquariatswesen interessieren, aber noch unsicher sind, ob es der richtige Weg für sie ist?
Ich würde ihnen raten, Antiquariate und Buchmessen zu besuchen und das Gespräch mit den Kolleginnen und Kollegen zu suchen, um ein Gespür dafür zu bekommen, ob dieser Beruf der richtige sein könnte. Wenn sie beispielsweise aus der Geschichte, Kunstgeschichte oder Germanistik kommen, gerne lesen und eine gewisse Portion Neugier mitbringen, sind das schon gute Voraussetzungen, um Freude am Beruf der Antiquarin zu finden.
Welche Rolle spielen Netzwerke und gegenseitige Unterstützung unter Antiquarinnen? Gibt es hier Initiativen oder Veränderungen?
Ich freue mich immer, neue Kontakte zu Kolleginnen zu knüpfen, etwa auf Buchmessen. Konkrete Initiativen zur Frauenförderung sind mir aber nicht bekannt. Ich habe vielmehr das Gefühl, Frauen bahnen sich hier ohnehin ihren Weg: Seit ich bei Inlibris angefangen habe, sind zwei weitere Kolleginnen dazugekommen, und im letzten Jahr hatten wir auch einige Praktikantinnen. Es stimmt aber, dass Antiquarinnen nach außen hin wenig sichtbar sind – ein Großteil der Arbeit findet eben am Schreibtisch und nicht auf der Buchmesse statt.
Welche Impulse könnten junge weibliche Antiquarinnen in die Branche bringen, die bislang vielleicht zu wenig Beachtung gefunden haben?
Gerade ein Fokus auf die Katalogisierung der Werke von Schriftstellerinnen, Künstlerinnen und Wissenschaftlerinnen und damit vielleicht ein Schwenk auf bislang weniger beachtete Aspekte ist etwas, was junge Antiquarinnen einbringen können. Ich würde solche Impulse aber nicht ausschließlich weiblichen Kolleginnen attestieren – generell sind junge Leute in der Branche gefragt!
Wie sehen Sie die Zukunft des Antiquariats? Welche Entwicklungen oder Veränderungen würden Sie sich für die Branche wünschen?
Ich würde mir eine größere Reichweite wünschen. Wir hüten wahre Schätze und teils Unikate – das wissen die meisten Leute gar nicht, weil sie nie damit in Berührung kommen. Zu uns kommen immer wieder Kund:innen, die staunend vor unseren Vitrinen stehen und überrascht sind, was es in einem Wiener Antiquariat alles gibt.
Vielen Dank für das Interview!