Aus dem anzeiger.
In der Welt des Antiquariats gibt es viele spannende Geschichten zu erzählen – nicht nur über die Bücher, sondern auch über die Menschen, die hinter den einzigartigen Sammlungen stehen. Frauen sind in dieser Branche nach wie vor unterrepräsentiert. Deshalb holen wir engagierte Antiquarinnen aus unterschiedlichen Häusern vor den Vorhang.
Elena Jakobi, Historikerin und Kunsthistorikerin, arbeitet im Antiquariat Burgverlag, das 1920 gegründet wurde. Im Interview mit dem anzeiger erzählt sie, wie ein zufälliger Fund aus der Familienbibliothek ihr Interesse an alten Büchern weckte und warum der persönliche Austausch mit Kolleg:innen so wertvoll ist. Dabei betont sie, dass das Antiquariat kein Berufsfeld der Vergangenheit ist, sondern eines, das – mit Offenheit für neue Ideen und Formate – auch in Zukunft bestehen wird.
Frau Jakobi, wie sind Sie zum Beruf der Antiquarin gekommen?
Mein Interesse am antiquarischen Buch wurde durch ein Kochbuch meiner Urgroßmutter geweckt, das ich als Jugendliche zu Hause in einem alten Koffer gefunden habe. Ich habe mich dann genauer damit beschäftigt und bin bei meinen Recherchen natürlich auf Antiquariate gestoßen. Etwa zeitgleich war ich auch auf der Suche nach einem Sommerjob während der Ferien und habe mich dann eher spontan im Wiener Antiquariat Löcker beworben. Dort habe ich dann auch die ersten Jahre während meines anschließenden Studiums weitergearbeitet. Mich hat also eigentlich mein zunächst rein privates Interesse am alten Buch, die Recherche dazu und dann die Erkenntnis, dass man im Antiquariat dieses Interesse auch in einen Beruf überführen kann, dazu gebracht.
Was gefällt Ihnen besonders an der Arbeit im Antiquariat?
Das Schöne an der Arbeit im Antiquariat ist die schier unendliche Vielfalt! Nicht nur am Anfang sieht man sehr viel Neues, auch später gibt es immer noch Bücher oder Ephemeres, das man so noch nie gesehen hat. Auch Kolleg:innen, die schon seit mehreren Jahrzehnten in der Branche tätig sind, erzählen, dass sie immer noch Unbekanntes sehen. Es ist ein Beruf, in dem man nie auslernt. Jede neu angekaufte thematische Sammlung oder auch einzelne fachspezifische Werke ermöglichen (und verlangen) es, dass man sich mit neuen Themen beschäftigt, die vielleicht nicht zum primären persönlichen Interessensfeld gehören. Außerdem finde ich den kunst- und kulturhistorischen Aspekt wichtig: Wenn man etwa ein Buch mit besonderer Provenienz oder ein Widmungsexemplar bearbeitet, dann wird aus einem zunächst, in mal größerer, mal kleiner Auflage, gedruckten Werk plötzlich ein unikales Objekt mit rekonstruierbarer individueller Geschichte, etwa zu den Vorbesitzer:innen. Ich mag den Gedanken, derartige Objekte dann mit ihrer besonderen Geschichte vorstellen und im besten Fall auch an eine bibliophile Person oder Institution verkaufen zu können. Hier spielt das Bewusstsein für das Bewahren von kulturhistorisch interessanten und besonderen Objekten natürlich auch mit einem gewissen wirtschaftlichen Aspekt zusammen.
Was würden Sie anderen Frauen raten, die sich für das Antiquariatswesen interessieren, aber noch unsicher sind, ob es der richtige Weg für sie ist?
Wenn man eine Faszination für alte Bücher, Handschriften und Ephemeres mitbringt, gerne objektnahe arbeitet und auch Zeit und Ausdauer in wissenschaftliche Recherchen steckt, dann würde ich sagen, dass das Antiquariatswesen eine passende Branche ist. Es gibt auch nicht die „eine“ Ausbildung, die ins Antiquariat führt, ich habe beispielsweise Geschichte und Kunstgeschichte studiert und arbeite gerade parallel an meiner Dissertation. Grundsätzlich finde ich es wichtig, sich darüber im Klaren zu sein, dass es im Antiquariat kaum „klassische Aufstiegspositionen“ gibt und es ist kein Beruf, in den man sich in 1-2 Monaten einarbeitet. Oft sind Antiquariate eher kleine Firmen mit wenigen Angestellten, ich sehe das aber nicht als Nachteil, im Gegenteil: Im Idealfall ist es ein Arbeiten auf Augenhöhe. Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich betonen, dass persönliches Engagement wichtig ist und noch viel mehr die Möglichkeit von erfahrenen Antiquar:innen zu lernen. Ich hatte und habe dieses Glück, dass Wissen an mich weitergegeben wird, ich mich aktiv beteiligen und auch immer wieder neue „herausfordernde“ Objekte bearbeiten kann.
Welche Rolle spielen Netzwerke und gegenseitige Unterstützung unter Antiquarinnen? Gibt es hier Initiativen oder Veränderungen?
Spezifisch für oder unter Antiquarinnen gibt es leider keine eigenen Netzwerke. Vieles läuft über persönliche Kontakte und Netzwerke, diese individuell aufzubauen dauert und gerade am Anfang ist das nicht immer einfach. Die Antiquariatsbranche ist eine vergleichsweise kleine und großteils gut vernetzte. Ich denke, dass ein:e engagierte Mentor:in der Schlüssel zum Weg ins Antiquariat ist. Über Mitgliedschaften etwa in nationalen oder internationalen Dachverbänden, die sich einem „Code of Ethics“ verpflichtet haben, können sich Firmen und ihre Mitarbeiter:innen vernetzen und an Fachmessen oder speziellen Seminaren teilnehmen, etwa am „Fortbildungsseminar des Verbandes Deutscher Antiquare“ oder dem „York Antiquarian Book Seminar“. Das sind gute Gelegenheiten um neue Kolleg:innen kennenzulernen und sich zu vernetzen, besonders wenn man selbst erst kurze Zeit im Antiquariat tätig ist. Obwohl es ein Nachwuchsproblem in der Branche gibt, gibt es leider kaum Initiativen das Antiquariat als Berufsfeld sichtbarer zu machen.
Welche Impulse könnten junge weibliche Antiquarinnen in die Branche bringen, die bislang vielleicht zu wenig Beachtung gefunden haben?
Es wäre sehr schön, wenn es mehr junge Antiquarinnen und Interessierte gäbe. Wie bereits erwähnt, hat die Branche ein Nachwuchsproblem. Eine Verjüngung wäre also generell wichtig für den Fortbestand der Branche. Ein bewusster Umgang mit Social Media würde der Sichtbarkeit der Branche sicherlich helfen. Es passiert nicht selten, dass jüngere Personen bei uns im Geschäft stehen und erstmal fragen, was wir hier überhaupt machen…die Vorstellungen reichen dann von Leihbibliothek bis Museum. Ich denke es ist wichtig, auch junges Publikum als potenzielle zukünftige Sammler:innen anzusprechen, das geht erfahrungsgemäß leichter, wenn man in einem ähnlichen Alter ist.
Wie sehen Sie die Zukunft des Antiquariats? Welche Entwicklungen oder Veränderungen würden Sie sich für die Branche wünschen?
Ich sehe die Zukunft des Antiquariats durchaus positiv. Auch wenn sich die Nachfrage möglicherweise noch weiter auf unikale Objekte, besonders Seltenes und Hochpreisiges verlagert, so bietet das Antiquariat, im Gegensatz zum Auktionshaus, doch auch die Möglichkeit Bücher anzubieten, die nicht den Preisvorstellungen der Auktionshäuser entsprechen, aber unter Lesenden und bibliophilen Personen geschätzt werden und die weiter erhalten bleiben sollen. Ich denke, zudem wird Offenheit für neue Ideen wichtig sein: Wir sind zwar in unserer alltäglichen Arbeit umgeben von alten Druck- und Handschriften und ephemeren Objekten der letzten Jahrhunderte, aber ich denke man sollte hier auch bestehende Konzepte (etwa Messen) moderner denken und gestalten. Das würde für mich auch beinhalten, das Antiquariat als lebendiges und diverses Berufsfeld stärker zu zeigen und mit dem Willen Wissen weiterzugeben, zugänglich zu machen.
Vielen Dank für das Interview!