In der anzeiger-Serie „Alte Kostbarkeiten“ präsentieren wir zusammen mit dem Verband der Antiquare Österreichs ausgewählte Druck- und Handschriften mit ihren Geschichten.
Mein teures Prinzeßchen: Aus Freuds Familienbliothek – ein Geschenk Sigmund Freuds an seine Verlobte
STECKBRIEF
Verfasser: Heinrich Heine (1797–1856)
Titel: Buch der Lieder
Erscheinungsdatum: 1884 (Erstausgabe: 1827)
Format: 17 x 12 cm. XII, 312 Seiten
Widmungsexemplare des Begründers der Psychoanalyse trifft man nicht allzu häufig an. Noch seltener sind solche, die Sigmund Freud (1856–1939) seinen engsten Familienmitgliedern widmete und die später in der Familienbibliothek Platz fanden. Dies trifft auf das hier präsentierte Buch, im goldgeprägten Einband, zu: Ein Exemplar von Heinrich Heines „Buch der Lieder“, das Freud im Dezember 1884 mit den Worten „Zur Erfüllung eines alten Wunsches Dein Sigmund“ seiner Verlobten Martha Bernays (1861–1951) aus Hamburg widmet. Er hatte Martha 1882 in Wien kennengelernt. Während der viereinhalbjährigen Verlobungszeit, bis zum September 1886, wechselte das Paar zahlreiche Brautbriefe. Am 28. November 1883 schreibt Freud: „Mein teures Prinzeßchen: Verstehst Du, warum einem Menschen plötzlich Liedertexte einfallen, die ihn einen ganzen Tag nicht auslassen und ihn zwingen, sie beständig vor sich hin zu brummen? Weißt Du warum es gerade mir mit dem ‚Armen Peter‘ so geht? Ich habe einmal bei Breuer Frau Mathilde dieses Lied (vertont von Robert Schumann) … singen hören … Und jetzt ganz unvermittelt taucht es wieder auf, und ich murmele immer:
Der Hans und die Grete sind
Bäut’gam und Braut
Und tanzen im Hochzeitsgeschmeide,
Der arme Peter die Nägel kaut
Und ist so blaß wie Kreide.“
Die Wiedergabe der Strophe aus dem Gedicht „Der arme Peter“ im „Buch der Lieder“ entspricht nicht ganz dem gedruckten Text. Heine spielte im Leben der Brautleute eine besondere Rolle, zumal dessen Todesjahr in Freuds Geburtsjahr fiel. Den größten Anteil an Heines späterem Ruhm hatten zweifellos seine Gedichte, insbesondere die Sammlung „Buch der Lieder“. In der „Traumdeutung“ zitiert Freud aus Heines „Die Heimkehr“, ebenfalls aus dem „Buch der Lieder“:
Selten habt ihr mich verstanden
Selten auch verstand ich Euch,
Nur wenn wir im Kot uns fanden,
So verstanden wir uns gleich.
Freuds Werk „Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten“ verdankt Heine zahlreiche Witze und Wortspiele. Sigmund Freud hat dieses Buch später Eva Rosenfeld (1892–1977) geschenkt, die 1927 in ihrem Garten in Wien Hietzing zusammen mit Anna Freud (1895–1982) und Dorothy Burlingham (1891–1979) die Rosenfeld-Burlingham-Schule begründet hat. Sie war sehr eng mit Anna Freud befreundet und der Familie Freud auch im Londoner Exil behilflich, wo sie selbst als Analytikerin gewirkt hat.
Nähere Informationen:
Georg Fritsch Antiquariat
Inh. Bernhard Steiner
Schönlaterngasse 7, A-1010 Wien
Tel. +43/(0)1/512 62 94
selfritsch@aon.at
www.austriadrei.at