anzeiger 11-12/24: Der Ermöglicher – Laudatio auf Dr. Robert Stocker

Mehr als drei Jahrzehnte setzte sich Robert Stocker feinsinnig und erfolgreich für die Anliegen der heimischen Literatur- und Buchbranche ein. Dafür verdient er besondere Anerkennung.

Text: Dr. Alexander Potyka

Wenn man nach Konstanten im österreichischen Literaturbetrieb der vergangenen vier Jahrzehnte sucht, wird man vermutlich an etablierte Autor:innen, langgediente Verleger:innen und erfahrene Buchhändler:innen denken. Der genaue Blick hingegen führt einen unweigerlich zu jenem jungen Akademiker, der am 11. Jänner 1988 seinen Dienst in der Literaturabteilung des damaligen Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Sport antrat, mehr zufällig als geplant, wie er gern erzählt: Dr. Robert Stocker. Das sollte sich als Glücksfall für alle Betroffenen erweisen. Mit ihm gewann sein Vorgesetzter, Ministerialrat Dr. Wolfgang Unger, einen zuverlässigen und belesenen Mitarbeiter, der bald zu seinem Stellvertreter aufstieg. Seine Mitstreiter in der Abteilung erhielten einen loyalen und umgänglichen Kollegen.

Die österreichische Literaturszene, Autor:innen, Literaturveranstalter:innen und Literaturvereinigungen, Verlage und später auch öffentliche Bibliotheken, erhielten mit Robert Stocker einen Schirmherrn. Als Ansprechpartner für die Branche, der seit 2001 den schönen Titel eines Ministerialrats und damit Abteilungsleiters trägt, erfüllt er seine Rolle seit nun 34 Jahren nie gönnerhaft. Er verstand sich stets als Ermöglicher, als sachkundiger Unterstützer, der die Aktivitäten und Initiativen der Szene bei aller angemessenen kritischen Distanz mit wohlwollender Sympathie beurteilte.

Beamt:innen, beziehungsweise öffentlich Bedienstete, sehen sich ja mit vielen Vorurteilen konfrontiert, was ihre Arbeit, ihr Arbeitspensum, ihre Fantasie, ihre Kompetenz und ihren Realitätssinn betrifft. Robert Stocker ist so etwas wie der lebende Gegenbeweis zu diesem Image. Wer mit ihm mehr zu tun hat als den Austausch von Förderantrag gegen Förderbescheid, weiß, dass hier ein ebenso sachkundiger wie leidenschaftlicher, durchaus konfliktfähiger Fachmann tätig ist. Er beherrscht nicht nur das Einmaleins des bürokratischen Alltags und die Kunst des Pragmatismus, sondern hat auch kreative und persönliche Vorstellungen davon, wie der gemeinsamen Sache, der Literatur, zu dienen ist. Diese Vorstellung bietet er an, doch zwingt sie nicht auf. So trägt die Ausgestaltung so manches Preises und seiner Verleihungsfeier oder der Gastlandauftritt Österreichs in Leipzig ebenso seine Handschrift wie der traditionelle Empfang zur Frankfurter Buchmesse: Er war für Robert Stocker weniger Förderfall als Anliegen, für das er sich immer persönlich verantwortlich gefühlt hat.

Nicht wenige seiner Vorgesetzten – beamtete und solche in politischen Funktionen – brillierten mit Reden, deren Geschliffenheit und kluge Eleganz die Urheberschaft des Dr. Stocker kaum verleugnen konnten. Robert Stocker ist ein sehr zurückhaltender Mensch, eine kostbare und in der Kunstszene recht rare Eigenschaft. Sein sphinxisches Lächeln ist nicht immer leicht zu deuten, seine Contenance nur schwer zu erschüttern. Man könnte meinen, dass seine persönliche Vorliebe für das Britische sein Auftreten geprägt hat. Ich hingegen habe gehört, dass Briten, die das Understatement und den feinen Humor üben wollen, bei Dr. Stocker in die Lehre gehen. Öffentliche Verwaltung wird im Allgemeinen vor allem an ihren Defiziten gemessen, so wie es ja leichter zu fallen scheint, Kritik auszusprechen als Lob. Spätestens jetzt, da sich die Tätigkeit Dr. Stockers mit seinem Eintritt in den Ruhestand im April 2025 dem Ende zuneigt, sei die Gelegenheit genutzt, ihm im Namen des gesamten Literaturbetriebs Anerkennung auszusprechen und für die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit zu danken.

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