Betritt man die Räume des Sonderzahl Verlages, steht man vor vierzig Jahren Verlagsgeschichte. Bücher füllen die Regale, frisch gedruckte Werke stapeln sich am Boden. Einige Titel erscheinen bereits in dritter oder vierter Auflage. Mit vielen Autor:innen arbeitet der Verlag seit Jahrzehnten zusammen.
Der Verlagsgründer Dieter Bandhauer hätte sich Anfang der 1980er-Jahre nicht träumen lassen, dass sein Alltag einmal so aussehen würde. Der damalige Jusstudent hatte früh den Wunsch, selbstständig zu sein und mit Büchern zu arbeiten. „Ich bin sehr blauäugig an die Verlagsgründung herangegangen“, erinnert sich Bandhauer, rückwirkend stolz auf den gewagten Schritt. Der Fokus auf Essays war schnell klar: „Ein Verlag braucht eine Nische, in der er sich platzieren kann“, sagt der Verleger. Bei der Namenswahl dachte er länger nach, da der Titel nicht programmatisch sein sollte und er seine Familie nicht einbeziehen wollte. „Mit dem Aufkommen des Internets wurde die Namenswahl aufs Schönste bestätigt. Googelt man ,Sonderzahl‘, endet man immer bei uns.“ Auch Missverständnisse in Bezug auf den Namen sind selten. „Nur einmal schrieb uns ein Germanist aus den USA, adressiert an ,von der Zahl‘ statt Sonderzahl“, ergänzt Verleger Matthias Schmidt.
Seit 2017 führen die beiden den Verlag gemeinsam. Bereits während seines Studiums gründete der Germanist die Zeitschrift „Triëdere“. Als er für die Zeitschrift nach einem Verlag suchte, fand er nicht nur diesen, sondern auch seine zukünftige Bestimmung. „Es geschah genau im richtigen Moment. Ich wollte auch Bücher machen, und es bestand von Anfang an die Aussicht, den Verlag eines Tages fortzuführen.“
Mit im Team arbeitet auch Thomas Kussin, der lange allein das optische Erscheinungsbild des Verlags prägte. Mittlerweile sind auch Mara Scherzer und Julia Lingl an Bord: Scherzer kam vor neun Jahren als Praktikantin in den Verlag. Sie machte nach dem Studium der Komparatistik eine Lehre als Verlagskauffrau und wie Schmidt einen Abschluss in Buchgestaltung. Auch Lingl ist vielseitig, sie studierte Philosophie, Germanistik und Kunstvermittlung in Wien. „Man kann nur mitmachen, wenn man möglichst viele Bereiche abdeckt“, sagt Schmidt. „Ein kleiner Verlag bietet die Möglichkeit, überall mitanzupacken.“
Sonderzahl ist bekannt für außergewöhnliche Buchpräsentationen. So wurde das Buch über die Wiener Dirne Josefine Mutzenbacher im Tanzcafé Jenseits präsentiert. Ein anderes Mal referierte man im Naturhistorischen Museum vor Dinosauriern.
Der Essay-Fokus des Sonderzahl Verlags bringt unterschiedlichste Disziplinen zusammen. „Der Verlag wird zum Knotenpunkt verschiedener Netzwerke, zum Kommunikationsschalter für intellektuelle Zirkel“, sagt Schmidt. Vom Aktualitätsdruck, dem besonders politische Bücher ausgeliefert sind, will sich Sonderzahl nicht gängeln lassen. Bandhauer ist überzeugt: „Ein guter literarischer Text verjährt nicht.“ Zwei Drittel der Bücher, die seit vierzig Jahren im Verlag veröffentlicht wurden, sind heute noch lieferbar und werden nachgefragt. „Die Backlist wird intensiv gepflegt, eine Strategie gegen die Kurzlebigkeit des Marktes“, erklärt Schmidt.
Text: Ruth Kronbichler