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Alte Kostbarkeiten

In der Serie „Alte Kostbarkeiten“ präsentieren der HVB und der Verband der Antiquare Österreichs ausgewählte Druckwerke und Handschriften – begleitet von den faszinierenden Geschichten hinter den Werken. Diesmal geht es um ein eindruckvolles Fotoalbum, ungefähr aus dem Jahr 1860, das spannende Einblicke in die Bekanntenkreise rund um die Künstlerpersönlichkeit Josef Labor bietet.

Josef Labors Fotoalbum oder: Das Who’s Who der Wiener Gesellschaft

Text: Elena Jakobi

Als einer der bekanntesten und gefeiertsten Komponisten seiner Zeit pflegte Josef Labor (1842-1924) gute Kontakte zu Adeligen, Politikern, Wissenschaftern und Künstler:innen. Bereits als Kind erkrankte er an Blattern und erblindete daraufhin. Seine Ausbildung begann er am k.k. Blindeninstitut in Wien, wo sein musikalisches Talent erkannt wurde. Sowohl seine Mutter Josefa Wallner wie auch seine Schwester Josefine (verh. David) kümmerten sich fortan um ihn und förderten seine Karriere als Musiker und Komponist. Vermutlich ist es auch seiner Schwester zu verdanken, dass man dank eines eindruckvollen Fotoalbums detaillierte Einblicke in die Kontakte und Personenkreise rund um die Künstlerpersönlichkeit Josef Labor Mitte des 19. Jahrhunderts bekommen kann.

Besagtes Fotoalbum aus dem Besitz der Familie Wallner-Labor enthält über 520 Albuminpotraits im handlichen Carte-de-Visite-Format vom Who’s Who aus (hoch-)adeligen, wissenschaftlichen, politischen und künstlerischen Kreisen. Dabei wurden jeweils 10 Carte-de-Visite-Portraits auf ein Blatt aufgeklebt, teils nach Familien bzw. Berufen gruppiert und mit Beschriftungen versehen. Über seine rege Konzerttätigkeit dürfte Labor später auch Kontakt zu dem ebenfalls erblindeten Georg V. von Hannover (1819-1878), der ab 1866 im Wiener Exil lebte, geknüpft haben. Das Fotoalbum scheint kurz davor, um 1860-1861, entstanden zu sein und dokumentiert bereits eine eindrucksvolle Fülle an prominenten Namen: So zeigen die Portraits unter anderem Mitglieder der Familie Wallner-Labor, darunter vermutlich auch den knapp 20-jährigen Josef Labor.

Die Familie Wallner-Labor (c) Antiquariat Burgverlag

Weiter „Karl Heinrich Kronprinz von Würtemberg“, „regierender Fürst Liechtenstein“, „Prinz zu Lippe Schaumburg“ oder auch „Graf Festetits [Festetics] mit Braut C. Schaafgotsche [Schaffgotsch]“ ein Verwandter von Marie Festetics, Kaiserin Elisabeths Hofdame und Anna Plochl „Gräfin Meran“. Ferner auch „Doctor Ignaz Franz Castelli“,„Professor Doctor Oppolzer“, „S.M.L. Franz Ritter von Hauslab“, die Schauspielerinnen Therese Peche, Friederike Bognar (als Fausts Gretchen) und Zerline Gabillon, Letztgennante auch „als Hero in ‚Des Meeres und der Liebe Wellen'“. Außerdem „Jacques Offenbach“, „Nestroy“,„Sir Eduard Bulwer-Litton“, „Carl Treumann“, „Graf Khevenhüller“ „Frau von Hanower [Hannover]“, „Gouvernante beim Fürsten Kinski [Kinsky]“, „Fürstin Kinski mit Kindern“ oder auch Kronprinz Rudolfs Kindermädchen „Anna von Csaby. Kindsmädchen beim E. H. Rudolf“.

Auch die Aufmerksamkeit Kaiser Franz Josephs erlangte Josef Labor: 1863 gewährte dieser ihm ein Stipendium, das in der Grazer Zeitung vom 4. September 1863 wie folgt angekündigt wurde: „Se. Majestät der Kaiser haben dem jungen blinden Pianisten Josef Labor (Schüler des Professors Pirkhert), welcher durch seine im letzten Winter veranstalteten Concerte die Aufmerksamkeit der musikalischen Kreise auf sich gezogen hat und zu den besten Hoffnungen für die Zukunft berechtigt ein dreijähriges Stipendium jährlicher 400 fl. zu seiner fernren künstlerischen Ausbildung huldreichst zu gewähren geruht“.

Ein großer Teil der fotografischen Albuminabzüge stammt von dem österreichsichen Fotopionier Ludwig Angerer (1827-1879), der ein Vorreiter bei der Verbreitung des Carte-de-Visite-Formates, das er ab 1857 in Wien einführte, war. Ab 1860 war er k.k. Hofphotograph. Die Portraitkarten tragen, soweit ersichtlich, auf der Rückseite den Firmennamen und die erste Atelier-Adresse: „Photographie von L. Angerer Wien. alte Wieden, Feldgasse 1061″. Diese Adresse änderte sich nach der Häusernummern-Reform 1863. Dieses frühe Fotoalbum zeigt eindrücklich den Umgang mit diesem damals verhältnismäßig jungen Medium auf und gibt Einblicke in die Bekanntschaftskreise und Künstlerwelt von Josef Labor.

(c) Antiquariat Burgverlag

Literatur:

Antonicek–Wanecek, Labor Josef, in: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950 (ÖBL). Bd. 4, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1969, S. 391.
Timm Starl, Lexikon zur Fotografie in Österreich 1839-1945, S. 21.

ECKDATEN: ANGERER, Ludwig.[Photo-]Album. [521 photographische Albumin-Portraits auf Carte-de-Visite-Kartons aufkaschiert]. (Wien, Ludwig Angerer um 1860). 30 x 45 cm. Carte-de-Visite: je. a. 10 x 6,5 cm. 521 photographische Albumin-Portraits auf Karton, auf bräunes Papier geklebt, jeweils mit montierten Namensschildchen beschriftet. Leinen.-Band. der Zeit mit reicher Deckelgoldprägung. Deckeltitel „Album 3″ Etwas berieben, wenige Photos gelöst. leicht gebräunt.                                             
                                                                                                                                 
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