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Alte Kostbarkeiten

In der Serie „Alte Kostbarkeiten“ präsentieren der HVB und der Verband der Antiquare Österreichs ausgewählte Druckwerke und Handschriften – stets begleitet von ihren faszinierenden Geschichten. Diesmal geht es um ein Werk aus dem Jahr 1835, in dem der Pädagoge und Schriftsteller Heinrich Rockstroh (1770–1837) Kindern und Jugendlichen die Welt der Wissenschaft näherbringen möchte.

„Das Mikroskop zur Beschäftigung in den Stunden der Muße?“ – Ein Versuch der Wissenschaftsvermittlung für Kinder im 19. Jahrhundert

Unter dem ausführlichen und für heutige Leser:innen etwas umständlich anmutenden Titel „Das Mikroskop, oder Anweisung zur näheren Kenntniß und zum Gebrauche desselben Behufs einer belehrenden und nützlichen Beschäftigung in den Stunden der Muße […]“ versucht der Pädagoge und Schriftsteller Heinrich Rockstroh (1770-1837) die Auseinandersetzung mit dem Mikroskop für „die reifere Jugend“ zu veranschaulichen.

Rockstrohs Werk trifft damit recht gut den Anspruch des belehrenden Kinder- und Jugendbuches seiner Zeit, also des frühen 19. Jahrhunderts. Der Aspekt der Wissenschaftspopularisierung spielt eine große Rolle und zeigt sich auch anhand des steigenden Wunsches nach Teilhabe an naturwissenschaftlichem, historischem, geografischem oder auch technischem Wissen in immer weiteren Schichten der Bevölkerung (Schmideler 2021, S. 52-58).

Besonders letzterem will auch Rockstroh nachkommen, indem er das Mikroskop als wissenschaftliches Instrument Jugendlichen näherzubringen versucht. Das Werk im handlichen Format bemüht sich um einen, aus der Erziehungsperspektive des frühen 19. Jahrhunderts, jugendgerechten Aufbau und ist zudem mit teilweise handkolorierten Illustrationen in Form von Kupferstichen versehen. Diese zeigen mikroskopisch vergrößerte Details wie etwa einen Floh, Blüten oder auch kristalline Strukturen.

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Nicht nur heutige Leser:innen fragen sich vielleicht inwieweit sich das Mikroskop tatsächlich zur Beschäftigung in „den Stunden der Muße“ für Kinder und Jugendliche geeignet hat, auch aus der zeitgenössischen Perspektive wird deutlich, dass darüber unter bewerbenden Annoncen und den Rezensenten des Werkes große Uneinigkeit herrschte: Die Wiener Zeitung vom 31. Dezember 1835 hebt hervor „nicht leicht dürfte es eine edlere Beschäftigung für die Jugend in den Stunden der Muße geben, als die, welche in diesem Buche angeregt wird“ und lobt Rockstrohs Beschreibungen unterschiedlicher Mikroskopteile, sowie die Auswahl der „interressantesten Objecte“.

Die Wiener Zeitung bewirbt das gebundene Buch mit einem Preis in Höhe von 2 Gulden und 15 Kreuzern, das entspricht in der historischen Kaufkraft etwas mehr als 13 Kilogramm Brot oder gut 9 Litern Wein (Kaufkraftabfrage, Wien Geschichte Wiki). Dem gegenüber urteilt die anonym gebliebene rezensierende Person des „Repertorium der gesammten deutschen Literatur“ (S. 300-301), ebenfalls im Erscheinungsjahr des Buches, wenig überzeugt: „Soll die Beschäftigung mit dem Mikroskope als Glied in die Reihe der verschiedenen Mittel aufgenommen werden, wodurch man […] der reiferen Jugend, welche Langeweile empfindet, dieselbe zu verkürzen und zwar dieses so zu bewerkstelligen sucht, dass sie selbst noch einen Nutzen davon hat, so hat der Vf, für die Classe von Lesern, welche sich in den Mussestunden durch eine mathematische Veranschaulichung der Wirkungsart dieses Instrumentes abschrecken lassen, mit diesem populär und in gefälligem Tone geschriebenen Buche sich allerdings ein Verdienst erworben. […]“.

Etwas versöhnlicher wird abschließend, abgesehen vom Inhalt, immerhin angemerkt: „Die äussere Ausstattung ist zu loben“. Einen Tenor treffen aber beide Quellen gleichermaßen, es wird erwartet, dass die Mußestunden bzw. Freizeit der Jugendlichen sinnvoll genutzt werden sollen, im zeitgenössischen Verständnis nämlich durch zusätzlichen Wissenserwerb.

Text: Elena Jakobi

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Eckdaten: ROCKSTROH, Heinrich. Das Mikroskop, oder Anweisung zur näheren Kenntniß und zum Gebrauche desselben Behufs einer belehrenden und nützlichen Beschäftigung in den Stunden der Muße […]. Ein Geschenk für die reifere Jugend, so wie für Freunde der Natur überhaupt, Berlin, Wilhelm Schüppel 1835. 12° (14, 5 x 13, cm) . XII, 263 S. mit 12, davon 7 kolorierte bzw. 6 gefaltete Kupferstichtafeln. Rotes Halbleder d. Zeit mit reicher Rückenvergoldung.

Nähere Informationen:

Antiquariat Burgverlag
Burgring 1+3, 1010 Wien
Tel.+ 43/(0)1/587 7311
office@burgverlag.com
Instagram: @antiquare_at

Literaturverweise:

Sebastian Schmideler, Anschauungsbildung in literarischer Praxis. Struktur und Systematik eines Konzeptes der Kinder- und Jugendbuchproduktion des 18. und 19. Jahrhunderts, in: Ders./ Wiebke Helm, BildWissen – KinderBuch. Historische Sachliteratur für Kinder und Jugendliche und ihre digitale Analyse, Berlin 2021, S. 47-61.

Oesterreichisch-kaiserliche privilegirte Wiener Zeitung, Donnerstag, 31.Dezember 1835.

Repertorium der gesammten deutschen Literatur, IV, Leipzig 1835.

Kaufkraftabfrage, Wien Geschichte Wiki, URL (4.2.2025): https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Kaufkraftrechner

 

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